Es ist eine stinknormale, spießige Garage im Süden Wiens,

neben das Einfamilienhaus hingebaut, Platz für zwei Autos. Gerade groß genug, um einen Wagen mit 6,20 Meter Länge aufzunehmen. Ein Cadillac Fleetwood in der verlängerten Version steht hier. Nicht irgendeiner. Mit diesem Auto war John F. Kennedy im Juni 1961 unterwegs, als er in Wien zu einem Gipfeltreffen mit Nikita Chruschtschow zusammentraf.

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Der künftige Status Berlins,

das noch von allen vier Siegermächten besetzt war, Atombombenversuche und die Abrüstung standen zur Verhandlung. Annäherung sollte es keine geben. Für den jungen Kennedy, im gleichen Jahr Präsident geworden, war es das erste Zusammentreffen mit dem großen Gegner aus der Sowjetunion.

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Für die Wiener war es ein Riesenspaß,

die zwei Staatschefs der Supermächte in der Stadt zu haben. Quasi ein Höhepunkt aus unserer Sicht: Die Kennedys besuchten den Gottesdienst im Stephansdom. Das war fast noch besser als das Galadiner im Schloss Schönbrunn, dem einzigen gemeinsamen Auftritt von Chruschtschow und Kennedy in Begleitung ihrer Frauen.

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Die Straßen waren dicht gesäumt,

als der Konvoi mit den Repräsentationslimousinen vorbeizog, begleitet von einem Riesenaufgebot an Polizei und Leibwächtern. Nikita Chruschtschow, 1. Sekretär der KPdSU, war in einem russischen ZIL unterwegs, Bundespräsident Adolf Schärf in einem Mercedes 600, US-Präsident John F. Kennedy wahlweise im Lincoln oder im Cadillac. Gepanzert war übrigens keines der Fahrzeuge.

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Während die beiden Männer

erst in der amerikanischen, dann in der russischen Botschaft verhandelten, gingen die Damen getrennte Wege. Nina Chruschtschowa ließ sich vom Wiener Kulturstadtrat Hans Mandl durch die Cézanne-Ausstellung im Belvedere führen, Jackie Kennedy besuchte mit Bundeskanzler Alfons Gorbach die Spanische Hofreitschule. Nahm John F. Kennedy den Lincoln, war Jackie mit dem Cadillac unterwegs.

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Der Cadillac Fleetwood 75 war eine Sonderanfertigung.

Von der verlängerten Version wurden insgesamt nur knapp 1000 Stück gebaut. Die amerikanische Botschaft in Wien hat den Wagen eigens für den Staatsbesuch Kennedys angeschafft. Auch in den USA waren Kennedy und seine Frau Jackie bevorzugt mit diesem Sondermodell unterwegs.

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Nach dem Kennedy-Besuch in Wien

blieb der Cadillac mit dem Kennzeichen W 700 noch bis 1967 im Besitz der US-Botschaft und wurde dann an einen Privaten verkauft. Insgesamt viermal wechselte der Wagen noch den Besitzer, jahrelang stand er dann in einer Tiefgarage am Reumannplatz, ehe ihn 1989 der jetzige Besitzer erstand. Der Mann hat mit alten Autos eigentlich nichts am Hut, aber ein Faible für Präsident Kennedy - "die Frauengeschichten nicht inkludiert" sagt er.

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Der Wagen

ist heute sowohl optisch als auch technisch in einem außerordentlich guten Zustand und sofort fahrbereit. Der Cadillac hat einen Achtzylindermotor mit 6,4 Liter Hubraum und 309 PS. Der Motor wurde präventiv generalüberholt, obwohl er wie am Schnürchen lief.

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Die Inneneinrichtung

ist aus schwarzem Leder und hellgrauem Tuch. Zwischen dem Fahrerabteil mit durchgehender Sitzbank und dem hinteren Fahrgastraum lässt sich eine Trennscheibe elektrisch hochfahren. Hinten gibt es massenhaft Beinfreiheit, aus der mittleren Trennwand lassen sich allerdings zusätzlich Notsitze hervorklappen, die wohl für die Leibwächter vorgesehen waren. Insgesamt ist der Wagen für neun Personen zugelassen. Obwohl Baujahr 1961, ist der Cadillac bereits mit Servolenkung, Servobremsen und elektrischen Fensterhebern ausgestattet.

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Nicht, dass der jetzige Besitzer dringend auf Käufersuche wäre,

er würde sich von seinem Schmuckstück aber trennen. Der Preis? Den dürfen wir hier nicht verraten. Es ist jedenfalls ein sechsstelliger Betrag, irgendwo in der Mitte. Als Mittelsmann tritt Artur Riekmann auf, ein Autohändler aus Wien, spezialisiert auf US-Fahrzeuge (01/ 888 63 09). Wer ein wirklich originelles Fahrzeug mit historischem Wert sucht, kommt um diesen Cadi kaum herum. (Michael Völker/AUTOMOBIL, 21.12.2001)

LINK
www.automobile-riekmann.com

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