ORF
Durchwegs skeptisch
Mit einiger Skepsis haben die Vertreter der
Printmedien auf die Bestellung von Monika Lindner zur
Generaldirektorin des ORF reagiert. In den entsprechenden Kommentaren
der heutigen Tageszeitungen ging es dabei weniger um die Person
Lindner denn um das Prozedere der Bestellung und mögliche weitere
Personalrochaden. Einig sind sich die Kommentatoren darin, dass der
neuen Generaldirektorin kein einfaches Leben im ORF bevorsteht.DER STANDARD
Für Harald Fidler (DER STANDARD) ist das Wahlergebnis "ein mehr als
deutliches" Indiz für den Politik-Einfluss bei der
Generaldirektoren-Wahl. Interessiert blickt er auf weitere
Postenbesetzungen: "Lindner selbst brachte die Formel für den Umgang
mit Polit-Forderungen: Wünschen könne man sich alles, es gehe nur um
den Umgang damit. Spätestens ab 1. Jänner wird man Lindner an ihren
Taten messen können: Was bisher an 'Gerüchten' über ihr Team
durchdrang, klingt, vorsichtig formuliert, nicht durchgehend nach
sachlichen Kriterien." (siehe dazu:
Lindners kolportiertes Führungsteam schimmert tief blau
- Seledec, Lorenz, Draxler, Prantner)
Kurier
Im "Kurier" meint Guido Tartarotti: "Die Kür des neuen ORF-Chefs
passte zum stil- und würdelosen Polit-Geschacher im Vorfeld. Noch
einmal wurde interessierten Bürgern ungeniert gezeigt, wie sehr sie
mit dem Slogan vom 'entpolitisierten' ORF verspottet wurden." Mit der
Generaldirektorin selbst hat er dagegen kein Problem: "Verblüffend
eigentlich, angesichts dieser Rahmenbedingungen, dass mit Monika
Lindner eine fähige Persönlichkeit an die ORF-Spitze kam...Sollten
allerdings die kolportierten Namen für Lindners Führungsteam - Walter
Seledec als Info-Intendant, Gerhard Draxler als Hörfunkchef, stimmen,
dann wurde das wichtigste Gut des ORF, seine relative journalistische
Seriosität, zum Kilopreis an die FPÖ verkauft."
Kleine Zeitung
Frido Hütter sieht in der "Kleinen Zeitung" die FPÖ als einen
Sieger der GD-Wahl: "Die FPÖ im Allgemeinen, weil sie von der neuen
Direktorin nichts Arges befürchten muss und weil zudem die bisher
kolportierten Subdirektoren allesamt FP-Wünschen entsprechen. Und
weil Gerhard Draxlers Avancement nach Wien auch Jörg Haider zufrieden
stellt...Verloren hat, wenn man so will, Wolfgang Schüssel. Er hatte
von seinem Kandidaten Wolfgang Vyslozil Abschied nehmen müssen.
Obwohl dieser durchaus auch eine erste Wahl für den Job gewesen
wäre."
Die Presse
In der "Presse" schreibt Andreas Unterberger unter dem Titel
"Hoffnung namens Lindner": "Die Hoffnung ist klein, dass der ORF sich
dem Zugriff von Betriebsräten, Landeshauptleuten, Medienmoguln und
Parteien künftig ganz entziehen kann. Die altneuen Strukturen sind
nicht danach. Schafft es Lindner jedoch, dann hat sie auch schon die
halbe Markt-Schlacht, also die eigentliche Herausforderung, gewonnen.
Dann wäre sie die Großheldin der Nation." Für das Koalitionsklima
ortet Unterberger Erfreuliches: "Freuen kann sich jedenfalls die
Koalition: Sie hat ein schwieriges Minenfeld durchschritten."
Salzburger Nachrichten
In den "Salzburger Nachrichten" erwartet Andreas Koller schwere
Zeiten für die neue ORF-Generaldirektorin Monika Lindner und ihr
Team:
"Monika Lindner und ihre Mannschaft werden sich aussuchen können,
ob sie wegen zu niedrigen Qualitätsstandards oder lieber wegen zu
niedriger Quoten zur Rechenschaft gezogen werden - oder,
wahrscheinlichste Variante, wegen beidem". Als größte Herausforderung
Lindners erachtet Koller, "sich die Politik, die immer ungenierter
ins Rundfunkgeschehen funkt, vom Leibe zu halten. Bisher ist Frau
Lindner nicht durch politischen Widerspruchsgeist aufgefallen. Wem es
gelingt, gleichermaßen das Vertrauen der Herren Pröll, Schüssel,
Haider und Westenthaler zu erringen - und ohne dieses Vertrauen wäre
Frau Lindner nicht in ihr Amt gewählt worden - der muss politische
Konzessionen machen."
Oberösterreichische Nachrichten
Skepsis auch in den "Oberösterreichischen Nachrichten": Dort meint
Lucian Mayringer unter dem Titel "ORF-Basar": "Der gestrige Tag der
Entscheidung am Küniglberg war nicht nur für den ORF ein schwarzer.
Sondern auch für all jene, die den gebetsmühlenartig vorgetragenen
Beteuerungen der Regierungsparteien, die Entpolitisierung des
staatlichen Medienriesen umzusetzen, auch nur einen Augenblick
Glauben geschenkt haben. Tatsächlich ging es in den 'Freundeskreisen'
der Stiftungsräte zu wie auf einem Basar."
WirtschaftsBlatt
Klar Stellung bezieht das "WirtschaftsBlatt". Unter dem Titel "Die
ORF-Reform ist gescheitert" meint Engelbert Washietl: "Der Regierung
und den Parteien gelang es, ein passables ORF-Gesetz am Freitag
innerhalb weniger Stunden zu pervertieren. Kein Aufbruch, keine
Entpolitisierung, sondern parteipolitisches Management übelster Art,
und somit eine Provokation aller, die gesetzlich festgelegte
Rundfunk- und Fernsehgebühren zahlen. Die zwischen ÖVP und FPÖ
ausgeschnapste Wahl der niederösterreichischen Landesintendantin
Monika Lindner ist logischerweise eine Vorentscheidung über weitere
Spitzenposten; denn wenn die ÖVP Lindner durchsetzen konnte, muss die
FPÖ mit Posten bedient worden sein, die noch zu verteilen sind."
(APA)