Ihre Muse war die Käsekrainer. "Ich stand am Würstelstand, vor mir der Pappteller, darauf die Wurst samt Senf. Da ist es mir eingeschossen." So schildert die Designerin Klara Obereder die Entdeckung des Objekts ihrer Begierde. Es sollte ein Massenprodukt sein, dessen Design irgendwie anonym schien, um genau dieses freilegen zu können: Nein, nicht die Wurst, es war der Pappteller, der für dieses Unterfangen wie gemacht war.Die in Osttirol geborene Obereder studierte bei Matteo Thun an der Universität für angewandte Kunst Keramik und Produktentwicklung, schloss ein Geschichte-und Kunstgeschichte-Studium ab, designte Gartenzwerge als Salz- und Pfefferstreuer und begann alsdann den klassischen Würstel-Pappteller aus Porzellan zu fertigen. Ihm folgten andere, alltägliche Dinge, allesamt nicht von Pappe. Zum Beispiel der Becher, den der Kaffeeautomat ausspuckt. Auch die PET-Flasche wurde in ein Keramikobjekt verwandelt. Dabei lautete die zentrale Frage: Warum neue Formen schaffen, wenn die Industrie bereits unzählige zur Verfügung stellt? Die Form bleibt in den Arbeiten Obereders unangetastet, die Beschaffenheit entzieht sich dem Gewohnten - total. Es geht der Designerin darum, das Junkig-Trashige aus einem Gegenstand herauszulösen. Durch die Übersetzung des Materials in einen anderen, nicht erwarteten Werkstoff schafft sie es, ein Konzentrat aus einer ungeheuren Fülle zu filtern. So stoppt sie für kurze Zeit den Prozess der Massenproduktion, wenngleich die Designerin genau diesen wiederum für die Zukunft ihrer Objekte anstrebt, denn auch Obereder weiß um die Schwierigkeit, als Designerin ohne Namen zu Ruhm und Reichtum zu gelangen. Doch es sind nicht nur existenzielle Gründe, Becher und Co auch in ihrer Schwergewichtsversion wieder auf die Förderbänder der Produktionsanlagen zu bringen. "Schließlich wäre das ja auch wieder eine Rückführung in die massenhafte Welt, die ja im Moment weit von meinen Objekten entfernt ist." Dass diese dann auch weitaus erschwinglicher würden, freute natürlich jeden, der eines ihrer Objekte ergattern möchte. Im Moment muss man für die in Einzelanfertigung produzierten Stücke je nach Größe schon noch ein paar hundert Schilling ablegen. Die 42-Jährige will radikal sein, mit dem Material spielen, die Kommunikation zwischen Objekt und Betrachter anregen, was ihrem Geschirr zwar nicht auf den ersten Blick, auf jeden Fall aber auf die erste Berührung gelingt. Beobachtet man Leute, die zum ersten Mal einen ihrer Papp-, pardon, Porzellanteller in die Finger bekommen, ist die Reaktion meist dieselbe. "Aha", hört man den einen sagen, "hoppala" den anderen. Manchen bleibt gar der Mund offen vor lauter Baffsein. Lächeln tut ein jeder, und Klara Obereder freut sich, dass sie den armen Schluckern aus der Welt der Massenproduktion zu einem neuen Status verhelfen konnte: "Ein Automatenbecher ist so was von kommun, dass er von der Gesellschaft nicht beachtet wurde, durch meine Arbeit bekommt er eine ganz neue Gewichtigkeit." Obwohl die Absolventin eines Projektjahres beim Künstler Daniel Spoerri ihre Diplomarbeit über Eurokommunismus verfasste, liegt ihr eine politische Aussage ihrer Arbeit fern. Im Vordergrund steht für sie der skulpturale Charakter ihrer spülmaschinenfesten Schützlinge, die der weitgehend konservativen Häferl- und Geschirrindustrie ein freches, aber definitiv formvollendetes Schnippchen schlagen. derStandard/rondo/21/12/01