Stephen Fry,
Der Sterne Tennisbälle
Roman.
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach.
ÖS 289,-/ 21,-/391 Seiten.
Aufbau, Berlin 2001.

Foto: Aufbau
Ein folgenschwerer Streich: Ned Maddstone hatte als Jugendlicher alles, was man sich als Engländer nur wünschen kann. Einen honorigen Politiker-Vater, gute Noten und damit ein sicheres Ticket für Oxford, die Kapitäns-Schleife des Cricket-Teams sowie - nicht zuletzt - eine ebenso gutaussehende wie intelligente Freundin. Zuviel des Guten, denken drei neidische Weggefährten und wollen ihm durch das Unterjubeln eines kleinen Säckchens Marihuana einen Denkzettel verpassen. Prompt landet der Nichtsahnende auch auf dem Revier, doch dann gerät alles außer Rand und Band. Ned wird fälschlicherweise mit der IRA in Verbindung gebracht und entführt. Man muss dem britischen Schauspieler ( Oscar Wilde ) und Autor ( Der Lügner , Geschichte machen ) Stephen Fry zugute halten, dass er ein Gespür für haarsträubende und Haken schlagende Plots mit unerwarteten Wendungen hat. Des öfteren beschleicht einen bei der Lektüre nämlich die Sorge, der Autor könne keinen Weg mehr aus den - scheinbaren - Sackgassen der Handlung finden. Er tut es doch. Deswegen soll hier auch nicht zuviel preisgegeben werden. Nur soviel: Das Schicksal und andere Zufälle schlagen immer wieder erbarmungslos zu - bis der zurückgekehrte Ned die Dinge selbst in die Hand nimmt und beschließt, Rache für die verlorene Zeit zu nehmen. Aus dem wohlerzogenen jungen Maddstone ist durch langjährige Isolation ein "mad one" geworden. In der Folge richtet und vollstreckt er selbst, und zwar weitaus grausamer als es ihm zustehen würde. So weit, so gut. Befriedigend ist das alles aber dennoch nicht wirklich. Am meisten stört, dass Fry ständig viel zu dick aufträgt. So avanciert der zurückgekehrte Ned unter falschem Namen sowie mit Vollbart und Sonnenbrille (!) binnen kürzester Zeit zum charismatischen Internet-Guru. Zuvor hatte er praktisch nebenbei einen gewaltigen Drogen-Coup abgewickelt. Folgerichtiger, dafür aber auch umso klischeehafter lesen sich die Lebensläufe der übrigen Figuren: Aus einem jungen Kiffer muss zwangsläufig ein abgehalfterter Kokser mit einer Model-Agentur werden, aus einer begabten Liebesbriefschreiberin eine Erfolgsautorin und aus einem humorlosen Streber natürlich ein pädophiler Tory-Spitzenkandidat. Immer sehnlicher wünscht man sich, doch einmal einer halbwegs durchschnittlichen Figur zu begegnen - doch Fry bleibt unnachgiebig. Am Ende kann nur ein 17-jähriger Internet-Freak dem Protagonisten Paroli bieten, eh klar. Die alte Weisheit gilt: Weniger wäre hier mehr gewesen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8./9. 12. 2001)