Es hat etwas von deutscher Gründlichkeit: Da gibt es legal die Möglichkeit, embryonale Stammzellen zu importieren. Und Bonner Neuropathologen, die damit Grundlagen erforschen wollen (und dafür Fördergelder). Dennoch diskutieren monatelang Politik und Feuilleton, Enquetekommission und Ethikrat. Dieser hat sich nun als das erwiesen, als das er kritisiert wurde: als Akzeptanzveranstaltung für Gerhard Schröders Biopolitik. Und empfahl den Import "mit strengen Auflagen".

Eher passt da schon: "Wir wissen zwar nicht, wohin die Reise geht, aber dafür sind wir schneller dort." Denn die Ratsmitglieder, die bis zur Gesetzwerdung der Auflagen ein Moratorium wollten, wurden überstimmt. Stattdessen ist die Empfehlung weniger klar, als es die US-Regeln sind. Und weniger streng, als die Forscher selbst für nötig erachten: Sie wollen nicht an frisch in vitro gemachten Embryonen arbeiten (was sie dürfen sollen), sondern vorhandene Zelllinien aus - sagen sie - für die Einpflanzung ungeeigneten erforschen. Auch sonst sehen sie keine Notwendigkeit, neue Embryonen für Stammzellen zu töten. Vorhandene Linien lassen sich ja ad infinitum vermehren.

Hört man nun auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein im STANDARD-Interview mit dem Argument "Zukunftstechnologie" nach der Zerstörung von Embryonen rufen, drängt sich der Verdacht auf: Hier glaubt die Politik an einen Markt, bangt um den Wirtschaftsstandort. Doch selbst wenn sich die Immunabstoßung von Embryozellen lösen lässt - den Bonner Forschern erscheint dies unwahrscheinlich -, ist eine Therapie damit noch so weit entfernt wie der Straßenbau auf dem Mars.

Die Politik wäre also gut beraten, nicht noch mehr Fakten zu schaffen, die der Akzeptanz von Stammzellforschung zu schaffen machen. Die kommt heute auch ohne Töten aus.

(DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2001)