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Foto: Archiv
Hausverwalter mutieren immer häufiger zu Therapeuten unfreiwilliger Wohnungs- gemeinschaften. Toleranz und Geduld sind zu raren Tugenden geworden. Dass Susanne Farkas den Gerichten das letzte Wort lassen muss, kommt selten vor. Trotzdem ist ihr Job "ein Dienstleistungsberuf, der manchmal bis ans Äußerste geht", sagt sie. Und ihren acht Mitarbeiterinnen geht es genau so. Denn das Team ist zwar für die Hausverwaltung von 6500 Wohnungen der Heimbau zuständig, den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit verbringt es aber mit Beschwerdemanagement, etwa 70 Prozent, rechnet Farkas: Angespuckte Spiegel im Lift, volle Mistkübel am Gang statt im Hof, Nachbarn, denen Babys zu laut weinen und Hunde zu oft bellen, bei denen die Luster wackeln und die Regale zittern, wenn beim Nachbarn die Türen knallen und die die Szenen einer Ehe täglich und nächtlich miterleben müssen. Das Zusammenleben ist offenbar sehr schwierig, die Aufregung über "die anderen" sehr groß und recht heftig. "Es ist in letzter Zeit schlimmer geworden, die Leute sind aggressiver und viel weniger tolerant ihren Mitbewohnern gegenüber", resümiert Farkas und glaubt: "Das liegt auch daran, dass man nicht mehr miteinander redet." Wenn doch, dann sei der Umgangston oft zum Erschrecken, erzählt die Leiterin der Heimbau-Hausverwaltung. Kinderwagen Geduld und Verständnis seien Tugenden von gestern: "Da greifen die Leute schon zum Telefon und schnauzen uns an, wenn der Kinderwagen einmal fünf Minuten am Gang steht und man schlecht vorbeikommt." Der Tag, an dem die höchste therapeutische Kunst gefragt ist, ist der Montag. Da kann man sich gut ausmalen, was sich an den Wochenenden so alles abspielt in der Wohngemeinschaft eines großen Hauses. Da müssen die Sachbearbeiterinnen oft warten, bis der Ärger herausgeschrien ist, um überhaupt erfragen zu können, wer spricht und um welche Anlage es sich handelt. Farkas: "Wir kriegen auch am Sonntagabend die meisten E-Mails." Hauptbeschwerdepunkt: Der Lärm im Haus, die unmögliche Musik, das Trampeln von oben, das Scheppern von unten, das Brummen von links, die Streitereien von rechts. Die Klagen über die Mitmieter kommen "aus jeder Schicht, sie unterscheiden sich nur im Umgangston". Und meistens lautet die Antwort auf die Frage, ob man denn mit den Verursachern und Betroffenen im Haus schon geredet habe, "nein". Das solle doch gefälligst die Hausverwaltung erledigen. So viel Harmonieproduktion kann den Sachbearbeiterinnen schon zu viel werden. Farkas organisiert deshalb spezifische Kurse und bemüht sich um ständige Supervision ihrer "Mietertherapeutinnen". Farkas: "Damit sie das alles nicht nach Hause mitnehmen - manchmal lässt es sich sowieso nicht vermeiden." Wo Mieter über volle Katzenkisteln am Gang stolpern, wo nächtens Kinder plärren, wo Beziehungen offenbar im Endstadium sind und wo in die Aufzüge uriniert wird, das weiß auch Herbert Slowack, Gruppenleiter für die Hausverwaltung bei der Gesiba, die insgesamt rund 20.000 Wohnungen managt. Er sieht diese Vermittlungsagenden einer Hausverwaltung rund um den Lebensmittelpunkt der Menschen aber recht entspannt: "Das gehört eben zu unserem Alltag, das ist halt Teil der aktiven Hausverwaltung." Wo Menschen leben, dort gebe es eben Menschliches. Klar, dass sich manche Standpunkte nicht vereinen lassen, manche Bedürfnisse nicht unter einen Hut zu bringen sind und so mancher Streit einfach nicht zu schlichten ist. Slowack: "Aber noch schlimmer wäre es doch, wenn die Leute gar nicht mehr mit uns reden würden." Immerhin gebe es ja auch Erfreuliches, stimmt auch Farkas zu: "Viele Mieter bedanken sich für Erledigtes oder für Vermitteltes. Es ist schon wunderschön, manchmal das Wort danke zu hören." (Karin Bauer, DER STANDARD Print-Ausgabe 30.11.2001)