Bern - Rund 4,7 Millionen Schweizer Stimmberechtigte entscheiden am kommenden Wochenende zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren über die Abschaffung der Armee. Im Gegensatz zum ersten Anlauf 1989 schlägt die Neuauflage der Volksabstimmung diesmal aber keine hohen Wellen. Die Schweiz steht vor allem unter dem Eindruck einer für das Land beispiellosen Serie von Katastrophen in den vergangenen zwei Monaten. Im Jahr 1989 war die Volksinitiative "für eine Schweiz ohne Armee" mit einer Mehrheit von 64,4 Prozent abgelehnt worden. Einzig in den Kantonen Genf und Jura stimmte damals eine Mehrheit für die Abschaffung der Streitkräfte. Dass aber immerhin mehr als ein Drittel des Volks die Armee für überflüssig hielt, ließ angesichts des Symbolgehalts der Institution damals aufhorchen. Die in der "Gruppe für eine Schweiz ohne Armee" (GSoA) zusammengeschlossenen Initiatoren unternahmen nach längeren internen Diskussionen und trotz Distanzierung einzelner Wortführer der ersten Stunde mehrere Jahre später einen neuen Anlauf. 1999 reichten sie die zweite Initiative zur Abschaffung der Armee mit den erforderlichen 100.000 Unterschriften ein, und zwar im Doppelpack mit einem Volksbegehren, das die Schaffung eines freiwilligen zivilen Friedensdienstes fordert. Die Abstimmung, in deren Rahmen zudem über drei Finanz- und Steuervorlagen entschieden wird, steht im Schatten jener Ereignisse, die die Schweiz in den letzten zwei Monaten erschüttert haben. Die Serie von Katastrophen und einschneidenden Ereignissen, die mit dem Amoklauf von Zug Ende September begann und sich mit der Stilllegung der Swissair-Flotte, der Brandkatastrophe im Gotthardtunnel und am vergangenen Samstag mit dem Absturz des Crossair-Flugzeugs fortsetzte, beherrschte die Aufmerksamkeit der Schweizer. Die Kampagne für die Armee-Abstimmung blieb auch deshalb flau, weil niemand den beiden Volksbegehren eine echte Chance einräumt. Wie schon 1989 beschlossen die in der Armeefrage gespaltenen Sozialdemokraten Stimmfreigabe. Die Regierung, die Mehrheit im Parlament und die drei bürgerlichen Regierungsparteien empfehlen ein "Nein". Unterstützung fanden die Armeegegner einzig bei den Grünen und den Kommunisten. Die Armee wurde unter dem Gesichtspunkt einer veränderten sicherheitspolitischen Lage in der Vergangenheit wiederholten Reformen und Straffungen unterzogen. Die Kosten für die Streitkräfte sanken innerhalb eines Jahrzehnts um rund einen Drittel. Die Initiatoren der Volksbegehren wiesen darauf hin, dass dennoch im Schnitt jede Stunde eine Million Franken (683.013 Euro/9,40 Mill. S) für die Armee ausgegeben würden, ohne dass das Land militärisch bedroht sei. "Die Abschaffung der Armee macht uns kein bisschen unsicherer", erklärten sie. (APA)