Als "Passion" und "große Leidenschaft" bezeichnet der Joiser Winzer Martin Pasler seine Einstellung "zu allem, was süß ist". Daraus ergebe sich "dann fast zwangsläufig, dass man als Winzer anfängt, Süßweine zu machen." Dabei setzt er ausschließlich auf Weine der höchsten Prädikatsstufen, Beeren- und Trockenbeerenauslesen, die bei Bewerben und Tastings in den USA z. B. auch regelmäßig Höchstwertungen einfahren. Pasler erzeugt auch trockene Weine, falls die Botrytis ausbleibt, "werden es dann halt mehr". Edelfäule ist in Österreich ausschließlich vom Klima abhängig, künstliches Infizieren der Beeren ist verboten. Hans Tschida vom Angerhof in Illmitz hat sich, bis auf einen kleinen Anteil an trocken ausgebauten Rotweinen, ganz auf Süßweine spezialisiert. Eine hohe Zuckerkonzentration allein sei aber keine Garantie für einen guten Wein. Tschida findet, dass "Moste mit einer Gradation zwischen 33° und 36° KMW die besten Weine ergeben, weil Alkohol, Säure und Frucht schön ausbalanciert werden". Jahrgänge wie 1997, "in denen das Traubenmaterial im Herbst derart reif und gesund war, dass es völlig sinnlos war, auf den Pilzbefall zu warten", überbrückt er mit der Herstellung von Schilfweinen. Dabei werden gesunde Trauben in Folientunneln auf Strohmatten getrocknet - rosiniert - und dann weiterverarbeitet. Hoch dekoriert in zahlreichen internationalen Bewerben wurden auch die Erzeugnisse des Weingutes Martin Haider aus Illmitz. Bei der kürzlich erstmals abgehaltenen internationalen Wein-Challenge "Best of Sweet" in Eisenstadt wurden alle sechs eingereichten Weine mit Gold ausgezeichnet, eine Sauvignon Blanc Trockenbeerenauslese 1998 sogar mit "Großem Gold". Tochter Silvia Haider, gemeinsam mit dem Vater im Betrieb tätig, äußert sich begeistert über den Jahrgang 2001. Unter den elf verschiedenen Trockenbeerenauslesen dieses Jahrgangs - "so viele wie nie zuvor" - wird es sogar einen "Grüner Veltliner geben, der als TBA relativ schwierig ist, weil er ziemlich Botrytis-resistent ist". Besonders appetitlich schauen sie ja nicht aus, die Beeren, aus denen die Sieger gemacht werden. Verschrumpelt und mit einem bräunlich-grauen Pelz überzogen baumeln sie unter Netzen im herbstlichen Weingarten am blätterlosen Rebstock. Edelfäule - höchst erwünscht, so sie erst die reifen Beeren befällt, aber ebenso verteufelt, kommt sie zu früh - ist dabei nur eine von vier Arten, um zu Weinen mit hohem Restzucker zu kommen. Damit der Pilz so richtig in Aktion treten kann, mag er es wie alle Vertreter dieser Gattung feucht, gefolgt von wohliger Wärme. Kühlere Nächte im Frühherbst sorgen für ein feinfruchtiges Aroma. Frühnebel, wie sie um diese Jahreszeit in der Nähe von Gewässern auftreten, sind ideale Feuchtigkeitsspender, gefolgt von einer kräftigen Erwärmung untertags. Seit 1998 waren die Wetterbedingungen für Süßweine jedes Jahr sehr gut bis hervorragend, was klarerweise zu einer Steigerung des Outputs geführt hat. Regionale Unterschiede, wie sie bereits zwischen Ost- und Westufer des Neusiedler Sees zum Tragen kommen, nicht berücksichtigt. Die saftigen Preise, die für die in 0,375 l Flaschen abgefüllten Weine verlangt und auch bezahlt werden, sind durch den hohen Arbeitsaufwand vor allem bei der Lese und im Keller mehr als gerechtfertigt: Genaueste Selektion - oft werden nur einzelne Beeren geklaubt - und mehrere Durchgänge sind unumgänglich. Auch beim Pressen, weil die Beeren "elastischer" sind und nicht wie ihre frischen, prall gefüllten Kollegen bereits bei leichtem Druck aufplatzen. Wegen des hohen Zuckergehalts ist es schwierig, den Most zum Gären zu bringen, dafür geht's dann ziemlich langsam und kann sogar völlig zum Stillstand kommen, sollte die Hefe absterben. Ob das Ganze so lange gärt, wie es halt dauert, oder ob abgestoppt wird, ob im Edelstahltank vergoren wird und es auch dort bleibt, oder im kleinen, großen, neuen oder gebrauchten Fass, ist eine Frage der Philosophie des jeweiligen Winzers. Österreich ist also ein Land der Süßweinsieger. Geschätzt und getrunken werden die Weine jedoch eher im Ausland. "Vor allem Botrytis- und Eisweine", sagt Fritz Kern, Geschäftsführer von "Vinoble Weinagentur und Versand" in Eisenstadt. Deutschland, Schweiz und Liechtenstein seien die klassischen Märkte, auch Großbritannien. Spanien bezeichnet Kern, wie auch Italien, wo österreichische Eisweine derzeit sehr beliebt sind, als Hoffnungsgebiete. An den österreichischen Erzeugnissen schätze man in beiden Ländern hauptsächlich "die begehrte glasklare Fruchtigkeit". Laut Günter Triebaumer, Filialleiter bei Wein & Co Bar in der Wiener Jasomirgottstraße, werden "vor allem die bekannten, prämiierten Produkte nachgefragt." Touristen aus asiatischen Ländern verließen das Geschäft selten ohne, während österreichische Kunden weniger gern zum Süßwein greifen. Sobald aber Hedonismus und Genuss ein Thema seien, komme auch Süßwein ins Spiel, meint er ebenso wie auch Fritz Kern. Und Erika Hoffmann, Sommelière im Gasthaus Jeitler in Bromberg am Wechsel, das auch für seine Weinkultur über die Region hinaus geschätzt wird, findet, dass ihre Gäste endlich auch mutiger werden, was Speisenkombinationen betrifft. Kombiniert wird "immer öfter mit Käse, nicht nur klassisch mit süßen Desserts". der Standard/rondo/23/11/2001