Wien - Estland, Lettland und Litauen geht es bei der EU-Erweiterung nicht schnell genug voran. Dieser Eindruck wurde am Montag bei einem Pressegespräch in Wien vermittelt, bei dem sich Minister und EU-Verhandler aus den drei baltitischen Ländern im Rahmen einer Konferenz des Europäischen Forum Alpbach über den Stand der Beitrittsverhandlungen äußerten. Henrik Hololei, der estnische Wirtschaftsminister, sprach dabei sinngemäß für alle Politiker, wenn er meinte, jetzt liege es mehr an den EU-Ländern als an den Beitrittskandidaten, wenn bis Ende 2002 die Verhandlungen abgeschlossen und 2004 der Beitritt der drei Länder perfekt sein sollen. Estland, von den drei baltischen Ländern der "wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittene Kandidat", wie Hololei unbescheiden, aber korrekt formulierte, habe das Kapitel "freier Kapitalverkehr" ohne größere Anstände hinter sich gebracht. Steuerharmonisierung Der Grunderwerb von Ausländern sei kontroversieller, aber doch mit positivem Ergebnis diskutiert worden, und das schwierige Kapitel Steuerharmonisierung werde man nun intensiv angehen. Freilich sehen sich auch die südlichen Nachbarn Estlands durchaus europareif. Mit einem bescheidenen Defizit von 1,5 Prozent, meinte die litauische Finanzministerin Dalia Grybauskaite, werde man die von der EU eingeforderte Pensionsreform schaffen, ohne die staatliche Budgetdisziplin zu gefährden. In Litauen steht noch das Energiekapitel an, ein wegen des gefährlichen Atomreaktors Ignalina besonders haariger Gegenstand. Zuschüsse Je nach den Vorstellungen der EU, wie schnell Ignalina geschlossen werden soll, seien Zuschüsse aus Brüssel in Höhe von fünf bis zehn Milliarden Euro nötig. Es müsse allerdings genau bedacht werden, wie die durch den Wegfall von Ignalina, das auch nach Weißrussland und in die Ukraine exportiert, entstehende Energielücke geschlossen werden kann. Sowohl den Letten als auch den Litauern stößt sauer auf, dass die Tabakwaren nach den Besteuerungsvorstellungen der EU um das Drei- bis Vierfache teurer würden. So sind 40 Prozent der Letten Raucher, ihnen sei eine Preiserhöhung in diesem Ausmaß sozial unzumutbar. Der lettische Außenminister Indulis Berzins, der am 11. September selbst in Washington gewesen war, meinte, die Terroranschläge hätten aller Welt gezeigt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit sei. Für die von Lettland (und seinen beiden Nachbarn) angestrebte Nato-Mitgliedschaft sei die Entspannung zwischen Russland und den USA nach den Anschlägen sehr positiv. (Christoph Winder, DER STANDARD, Printausgabe 27.11.2001)