Wirklich heimelig ist es an diesem Montagmorgen wohl nirgends in Wien. Hier, am äußersten westlichen Zipfel der Stadt ist sie allerdings schlichtweg überwältigend, die vernieselte, winddurchblasene und vom Gatsch übersteigerte Herbsttristesse. Ein beaktenkofferter Mann eilt mit aufgestelltem Kragen die Stiege zum Holzsteg hinauf. Und wieder hinunter. Und drüben den zweiten Steg wieder hinauf. Und dann erst wieder runter zur Schnellbahnstation Hadersdorf-Weidlingau. Glückliche Menschen sehen anders aus. Schließlich fehlt die Perspektive: Das Provisorium für den Bau des Westknotens vom Lainzer Tunnel wurde zur Permanenzeinrichtung. Und zumindest für ein zusätzliches halbes Jahr verlängert - der Baubescheid war nach dem Einspruch einer Bürgerinitiative vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, jetzt muss das Verfahren neu abgewickelt werden (DER STANDARD berichtete). "Die Bevölkerung trägt diese Baustelle Zähne knirschend. Vielleicht auch, weil man grundsätzlich für den Ausbau der Bahn ist", berichtet Sigrid Pilz, Grüne Gemeinderätin und Anrainerin des größten Gatschlochs von Wien. "Aber wenn das dann noch mutwillig verlängert wird, weil die Behörde das nicht ordentlich abwickeln kann - dann wird das zur Wut. Und zur Ohnmachtserfahrung." Remasuri anschau'n

Sicher gab es schon früher Dinge zu kritisieren. Begonnen habe es etwa damit, dass ohne Vorwarnung eine blühende Kastanien-Allee an der Bahnstraße abgesäbelt wurde. Aber jetzt? Jetzt bleibt das noch eine Zeitlang so: "Ich kann nicht mehr Laufen gehen, der Lärm ist auch nicht lustig und der ganze Dreck", beschreibt etwa der Anrainer Stephan P. seine Sicht der Dinge. "Überhaupt schaut die provisorisch errichtete Brücke über die Mauerbachstraße aus, als ob sie jeden Moment zusammenkrachen würde. Ich bin immer heilfroh, wenn ich mit dem Auto heil durchgefahren bin." Er selbst habe "noch Glück, ich wohn' weiter oben. Aber die hier unten müssen ihn sich jetzt anschau'n, den Remasuri." "Jetzt besteht natürlich die Sorge, dass es einen gewissen Verwahrlosungsprozess gibt, wenn die Grube eingemottet wird" berichtet Pilz von denen da "unten". "Eine Baustelle von dieser Größe zu sichern halte ich ja nahezu für unleistbar. Gleich neben dem Gelände gibt es ja zwei Schulen, einen Kindergarten. Mit aktiven, zum Teil ziemlich verhaltensoriginellen Kids. Die werden das alles sicher erobern wollen." Der Blick in die Grube, die unübersichtliche Engstelle mit Anrainergegenverkehr und der tägliche Gatsch an den Schuhen bleiben jetzt jedenfalls Alltag. "Aber es ist weniger der Dreck, als diese Aussichtslosigkeit", überlegt Pilz, während sie vom provisorischen Holzsteg aus in die Baugrube hinunter schaut. "Meine Kinder werden vermutlich maturieren, bevor das hier wieder zu ist." Aber genaues wissen die Anrainer eigentlich noch gar nicht. Nicht offiziell. "Bis jetzt haben wir vom Baustopp nur aus den Medien erfahren." Nach einem Schild mit weiteren Informationen hielten die Hadersdorfer bisher vergeblich Ausschau. (Roman Freihsl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.11.2001)