von Colette M. Schmidt

Graz - Gleich zu Beginn ahnt man, dass alles schlimm enden wird, denn der Tod prangt in großen Lettern über der grellen Varietébühne. "Shock- head"dead" Peter" steht da, und das in den Stücktitel eingefügte extra "a" nimmt vorweg, wie jede der hier dargebotenen Geschichten ausgeht: mit einem oder mehreren Toten. Aus den Reimen des "Struwwelpeter", den der Arzt Heinrich Hoffmann einst schrieb, um kleine Kinder einzuschüchtern, wurde von den englischen Theatermachern Phelim McDermott und Julian Crouch 150 Jahre nach seinem Erscheinen ein witzig-makabres Stück gezimmert, das der meist viel zu harmlosen Gattung des Musicals gar nicht angehören dürfte.

Die deutschsprachige Fassung von "Shockheaded Peter", die derzeit im Schauspielhaus Hamburg in der Regie von Crouch und Dermott selbst zu sehen ist, erlebte am Freitag auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses ihre österreichische Erstaufführung. In der Inszenierung von Gil Mehmert tritt die Nebenspielstätte des Hauses wie selten zuvor den Beweis an, dass man hier tatsächlich innovative, schräge und in jeder Minute höchst amüsante Produktionen sehen kann.

Das in einem Zirkuszelt platzierte Publikum wird vom bis in die Fingerspitzen sadistischen Zirkusdirektor (Martin Horn) durch die Schicksale der bedauernswerten Kinder geleitet. Weil man gerne grausam ist, "einfach so, um sich zu entspannen".

Schräge Probebühne

Also wird dem Sterben von Macho Friederich, Zündlerin Paulinchen, dem hyperaktiven Philipp, dem vernachlässigten - und dafür gleich noch verstümmelten - Daumenlutscher Konrad oder dem unter Essstörungen - seiner Eltern - leidenden Caspar beigewohnt. In der Grazer Inszenierung dürfen Susanne Lichtenberger, Frauke Steiner, Mathias Kopetzki und Alexander Weise aber vor ihrem gewaltsamen Abgang auch singen, tanzen, balancieren oder mit Messern werfen. Ihr Spiel bereitet ihnen wohl gleich viel Lust wie den Zusehern.

Die "bösen Buben", die bei Dr. Hoffmann den Mohren verspotten und dafür vom Nikolaus ins Tintenfass getaucht werden, kehren als texanische Cowboys zurück. Das Lachen bleibt ihnen im Hals, die Kugeln bleiben in der Schläfe stecken. Denn auch "Big Nick" ist hier nicht zimperlich. Die Wunderkasten-Bühne von Steffi Bruhn steckt ebenso voller Überraschungen wie die ganze Inszenierung, die dank Sandy Lopicic, Imre Bozoki und Marco Quarantotto auch musikalisch immer den richtigen Ton trifft. Ein großer Spaß für ganz große Kinder. Die kleinen sollte man lieber zu Hause lassen . . . (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11. 2001)