Seit einigen Jahren geistert nun schon das Gerücht durchs Land, dass die spanischen Tapas demnächst ganz groß im Kommen sind. EU-Beitritt und damit Verfügbarkeit von Zutaten wie Bonito del Norte, Pimientos de Piquillo oder Chorizo taten das ihre, auch die Aufhebung des Verbotes vom Handel mit Jamon Iberico, dem besten Schinken der Welt, half der Popularität spanischer Happen auf die Sprünge, ebenso wie die sprunghaft wachsende Zahl von Feinkost-Importeuren. So wirklich durchschlagend war der Erfolg aber dennoch nicht, die Leute verharrten dann doch lieber bei Rucola-Salat und San Daniele-Schinken, bis auf ein paar Spezialisten wie "Bodega Espanola", "Aioli" oder "Rioja Club" konnten sich in Österreich kaum wer auf diesem Sektor profilieren. Einer, der das auch ganz gut schaffte, war Peter Zöhrer, wenngleich vorerst einmal in erster Linie mit spanischen Weinen: Seine Marqués-Bar im Palais Daun Kinsky hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren zur ersten Adresse Wiens für den gepflegten Konsum von Vino tinto entwickelt, an die geniale Erfindung der frühabendlichen Tapas erinnerten gerade mal ein paar Stückchen Käse, Schinken, ein paar Oliven und Mandeln. Nun startete Zöhrer aber die Stufe zwei der kulinarischen Iberisierung Wiens, nämlich mit seiner "Bodega Marqués". Das Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert, in dem bis vor ein paar Monaten noch die Tischlerei der Bank Austria zugange war, wurde mit schlichtem Mobiliar und stimmungsvoller Beleuchtung ausgestattet, vor allem aber mit einer langen Bar, an der lehnend man ein paar "Pincho"-Brötchen knabbern und dazu ein Glas Manzanilla trinken kann. Für diese speziellen Brötchen sorgen Gerald Glöckl, bis vor kurzem Küchenchef im "Aioli", außerdem der Italiener Alberto Affa, der immerhin sieben Jahre in Barcelona kochte, und schließlich Pablo Argemi, und der kochte wiederum zwei Jahre bei Arzac, einem der absoluten Koch-Stars in San Sebastian, sowie auch ein bisschen bei Ferr`an Adria im "El Bulli", sowieso dem avantgardistischsten Restaurant Europas. Mit dem Effekt, dass es da in der "Bodega Marqués" eine Selektion von Tapas gibt, auf die man auch in Spanien stolz sein könnte, und zwar sowohl hinsichtlich der Auswahl als auch in Sachen Qualität: Man beschränkt sich nicht auf das simple Produkt in all seiner Herrlichkeit, sondern wagt es auch, mit feiner Hand zu veredeln. Die marinierten Sardinen, zum Beispiel, zergehen auf der Zunge (öS 48,20 / EURO 3,50), das Mosaik von silbrigen Sardellen und knallroten Pimientos kann einen miesen Abend wahrlich retten (öS 61,90 / EURO 4,50), der Iberico-Schinken mit dem Tomatenbrot macht Lust auf mehr (öS 96,30 / EURO 7). Und das gibt's außerdem: eine flaumige Tortilla mit Chorizo-Stückchen (öS 61,90 / EURO 4,50) etwa, lauwarmen Tintenfisch auf Kartoffeln (öS 89,40 / EURO 6,50), köstliche Scheibchen Chorizo mit dunkler Rioja-Sauce (öS 75,50 / EURO 5,50), butterweiche Mini-Lammkoteletts mit einem gnadenlos guten Aioli (öS 96,30 / EURO 7) oder die hinreißenden Hühnerspießchen mit Couscous, am Lavasteingrill scharf angebraten (öS 82,60 / EURO 6). Man ist da natürlich versucht, alles auszuprobieren, aber keine Sorge, es geht nicht. Für die 120 spanischen Weine braucht man ja auch so seine Zeit, da passt's dann wieder.