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foto: reuters/bensch
Hamburg/Wien - Die deutsche Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer hat die zu große Distanz zwischen Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer und der grünen Partei kritisiert. In einem Interview mit der Hamburger Illustrierten "stern" sagte die Grünen-Politikerin, dass es für die Grünen auf Dauer "verheerend" sei, "wenn Joschka fast hinterm Horizont und meist spontan handelt, und wir dann durch den Faktendruck im Hauruckverfahren die Partei nachzwingen." Eine Spaltung der Grünen, die am Wochenende in Rostock über Krieg und Koalition beraten, befürchtet Vollmer nicht. "Es gibt aber den dringenden Wunsch, dass die führenden Leute auch dicht bei der Partei sind." Bei dem Tempo, das Fischer vorlege, könne er die "Daheimgebliebenen gelegentlich aus dem Auge verlieren". Dennoch könne Fischer nicht ohne die Partei. "Ihm sind die Grünen wichtiger, als er manchmal selbst weiß." Vor der Vertrauensfrage hervorragend Die Erfahrungen in den letzten Wochen waren für Vollmer "voller Absurditäten". "Eine davon ist, dass die rot-grüne Koalition vor dieser Vertrauensfrage in einem hervorragenden Zustand war. Wir waren aus den Kinderkrankheiten raus. Darum war diese Zerreißprobe ohne Not und auch ein bisschen ohne Weisheit." Es sei für sie "nicht ohne Bitterkeit , dass wir zwar die Legehennen befreit, die Ökosteuer eingeführt und die Schwulenehe abgesegnet haben, aber es uns nicht gelungen ist, dieses Land aus dem Krieg herauszuhalten. Das ist eine Niederlage". Zu dem Hinweis, dass der frühere CDU-Kanzler Helmut Kohl mit seinem damaligen Koalitionspartner FDP nie so umgesprungen sei, wie SPD-Kanzler Gerhard Schröder mit den Grünen, meinte Vollmer: "Eine gewisse Ruppigkeit liegt in allen Politikern, die aus Putztruppen und Studentenparlamenten kommen." Schröder kenne die Grünen überhaupt nicht. "Er hat das Bild einer Partei, die nur für Minderheitenfragen und weiche Themen zuständig ist. Da unterschätzt er uns." Es sei Teil ihrer Niederlagen, dass die Grünen zu sehr zu "Hitzigkeiten, zu Moralismen, zu romantischer Einschätzung" ihrer Rolle neigten. "Wir müssen einen relativ harten Schnitt machen und unsere Stärken und Schwächen, unsere Interessen und unsere Chancen bilanzieren. Diesen Verzicht auf machtpolitische Naivität würde ich mir am meisten wünschen", sagte Antje Vollmer im stern-Gespräch. Sie riet ihrer Partei nicht den Weg der Realpolitisierung sondern der "Realitätstüchtigkeit" zu gehen. Vollmer wörtlich: "Wir sollten jede Sentimentalität über die ungeheure Wunderbarkeit der Grünen vergessen. Wir sind weder in unserer Moral noch in unserer Sprache noch in unseren Parteitagen schlechthin ein Geschenk für die Republik." (APA)