Wien – Die angebliche Wechselgebühr, die Kunden der Wienstrom berappen müssen, wenn sie von einem neuen Versorger beliefert werden wollen, sorgt für Verunsicherung. Bei der Arbeiterkammer laufen deswegen die Telefone heiß; das Justizministerium stellt Wienstrom gar die Klage-

rute ins Fenster, konkret eine gemeinsame Verbandsklage mit dem Vereins für Konsumenteninformation (VKI).

Stein des Anstoßes sind unklar formulierte Passagen in den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wienstrom hat alle Haushalte der Bundeshauptstadt sowie die von ihr versorgten Wiener Umlandgemeinden per Informationsschreiben über die Liberalisierung und die allgemeinen Vertragsbedingungen informiert. Darin enthalten ein Passus "Einstellung und Wiederaufnahme der Lieferung". Dafür werden 895,20 S (65,05 €) fällig.

Wienstrom: "Gebühr nicht bei Wechsel fällig"

Wienstrom-Sprecher Christian Neubauer weist im Gespräch mit dem Standard Vorwürfe, man hebe eine Wechselgebühr ein, zurück. Die ominöse Gebühr werde nicht beim Wechsel des Versorgers fällig, sondern nur dann, wenn ein Kunde den Anschluss komplett abschalten lasse. Oder wenn einem Strombezieher der Strom abgedreht wird, weil er nach mehrmaliger Mahnung seine Rechnung nicht bezahlt hat.

"Der Wechsel des Versorgers ist kostenlos, weil dabei keine Abschaltung des Stroms erforderlich ist", sagte Neubauer. Er räumte aber ein, dass der umstrittene Passus zu Missverständnissen führen könnte. Man werde diese in der Dezember-Ausgabe des an alle Haushalte verschickten Gratismagazins 24 Stunden für Wien der Wienstrom-Mutter Wiener Stadtwerke richtig stellen, sagte Neubauer in Reaktion auf die Recherche des Standard.

Unklare Bedingungen

"Wir sind nicht glücklich mit den Bedingungen, diese hätten auch kundenfreundlicher formuliert werden können. Die Wienstrom hat sich nicht um klare, saubere Bedingungen bemüht", sagt Österreichs Stromregulator Walter Boltz. Andere Versorger hätten klarere Bedingungen formuliert. Zusätzlich habe das Unternehmen Bestimmungen hineingeschrieben, die Aufgaben von Netz und Vertrieb vermischen würden.

Das Papier hat auch den Argwohn der Konsumentenschützer geweckt. Derzeit schaut es laut Arbeiterkammer aber so aus, dass konsumentenschutzrechtlich alles in Ordnung ist. Allerdings habe Wienstrom formal nicht das Recht, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig zu verändern.

"Allgemeine Lieferbedingungen"

Details der Liberalisierung sowie der Auswirkung auf die Kunden stehen im Anhang zu den "allgemeinen Lieferbedingungen". So kann Wienstrom ab jetzt für die Erstellung eines Kontoauszugs auf Wunsch des Kunden 282 S verrechnen, für den erfolglosen Besuch einer Kundenanlage wegen Nichteinhaltung eines Termins 445,20 S sowie Wegkosten in gleicher Höhe.

Unabhängig davon meinen Kritiker, dass der sechsseitige Brief mit den "allgemeinen Lieferbedingungen" für Nicht- juristen nicht verständlich ist und viele Kunden das Schreiben aus diesem Grund nach den ersten Sätzen weglegen.

Daher würden viele Stromkunden gar nicht bis zu jener Stelle lesen, in der festgehalten ist: Kunden, die das bisherige Lieferangebot nicht annehmen wollen, müssen bis zum 30. November schriftlich kündigen. Was aber in diesem noch geltenden Strombelieferungsvertrag drinsteht oder wie viel Kunden für den Strom zahlen: Fehlanzeige. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 21.11.2001)