Washington - Der Generalsekretär des Außenministeriums, Albert Rohan, hat an die USA appelliert, nicht nur Osama bin Laden sondern auch die der Kriegsverbrechen angeklagten bosnischen Serben Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu fassen. In den islamischen Staaten der Anti-Terror-Allianz werde es nicht verstanden, dass die USA Bin Laden unter Einsatz aller Mittel verfolgen, die beiden der Verbrechen an Moslems beschuldigten Serben jedoch bisher ungeschoren ließen, obwohl ihre Aufenthaltsorte bekannt seien, sagte Rohan am Donnerstag vor Journalisten in Washington. Österreichs Rolle im Kampf gegen den Terrorismus werde in Washington positiv beurteilt. Gute Kooperation Sowohl die verbale Unterstützung der US-Angriffe als auch die Öffnung des österreichischen Luftraums und die Bereitschaft zur Anpassung der Rechtslage an die Anti-Terror-Maßnahmen werde von den Amerikanern gelobt. Auf allen Gebieten gebe es zwischen den USA und Österreich eine "gute Kooperation ohne Reibungspunkte", so Rohans Resümee. Bei seinen Gesprächen im US-Außenministerium habe er an die USA auch appelliert, sich nicht völlig vom Balkan zurückzuziehen. "Ein Rückzug der USA hätte besonders im südlichen Teil des Balkans katastrophale Folgen", warnte Rohan. Die USA hätten ihm signalisiert, dass sie zwar ihre militärische Präsenz ausdünnen, das politische Engagement jedoch nicht einschränken wollten. Terror-Netzwerke zerschlagen Der Hauptteil des Kampfes gegen den Terrorismus werde nicht in Afghanistan, sondern in Europa und den USA geführt, zeigte sich Rohan überzeugt. "Selbst wenn man Afghanistan dem Boden gleich machen würde, würde das den Terror nicht besiegen". Ziel sei es die Terroristen festzunehmen, die Netzwerke zu zerschlagen und ihre Finanzquellen abzudrehen. Der Kampf gegen den Terrorismus solle mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität verknüpft werden, da beide etwa im Drogenhandel eng verbunden seien, forderte Rohan. Auch für einen neuen Anlauf im Nahost-Friedensprozess sprach sich Rohan bei seinen Treffen mit US-Politikern aus. Das ungelöste Nahost-Problem sei zwar nicht die "Wurzel des Terrors", aber die Wurzel einer antiamerikanischen Grundstimmung in den islamischen Ländern. "USA haben gelernt Für die politische Zukunft Afghanistans wollten die USA keine Regierung unter Führung der jetzt in Kabul siegreichen Nordallianz bilden, sondern sie strebten eine "Regierung auf breiter Basis" an. Die Amerikaner hätten offenbar aus den Problemen im Kosovo gelernt, als sie zuerst die Kosovo-Befreiungsarmee UCK als "Bodentruppen" der US-Flugzeuge betrachteten, die UCK dann jedoch nach dem Abzug der jugoslawischen Armee die Vertreibung der Serben betrieb oder zumindest duldete. Wiederentdeckter Multilateralismus "Die USA haben den Multilateralismus wieder entdeckt", analysierte Rohan die Politik der Amerikaner nach den Terroranschlägen. Die US-Hoffnung auf die Entsendung einer UNO-Peacekeeping-Truppe nach Afghanistan stoße in den Vereinten Nationen jedoch nicht auf besondere Zustimmung. Wenn der fieberhaft gesuchte Osama bin Laden sich aus Afghanistan in den Irak absetzen würde, wäre das "der beste Dienst, den er den USA machen könnte", so Rohan in Anspielung auf die Überlegungen einiger US-Politiker, nach dem Taliban-Regime in Afghanistan auch den Irak anzugreifen. Nach einem Treffen mit George Soros wird Rohan am Montag bei den Vereinten Nationen in New York mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan sprechen. Rohan ist der ranghöchste Beamte im Außenministerium und gilt als besonderer Balkan-Experte. (APA)