Wien - Konsumenten illegaler Drogen griffen in Österreich immer häufiger zu aufputschenden Substanzen. Die Zahl der "drogenbezogenen Todesfälle" sei zwar deutlich gestiegen, eine wesentliche Trendwende im illegalen Suchtgiftkonsum zeichne sich aber dennoch nicht ab. Das sind die Eckpunkte im Montag in Wien präsentierten "Bericht zur Drogensituation 2001" des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG).

Veränderungen in der Drogenszene beträfen in erster Linie die Konsummuster. Vorherrschend sei nach wie vor die gleichzeitige Einnahme von mehreren Suchtmitteln. Während jedoch bisher Opiate, vor allem Heroin, im Zuge des Mehrfachkonsums (meist Alkohol und Benzodiazepine) eine zentrale Rolle spielten, spielten nun Aufputscher eine zunehmende Rolle: besonders Amphetamine und Kokain, das schon in den 80er-Jahren eine Modedroge war.

Was jedoch "keine quantitative Verschärfung der Drogenproblematik" bedeute: Die Zahl der Drogenabhängigen wird im Bericht in den meisten Bereichen als stabil eingeschätzt. Ein Anstieg wird nur aus eher ländlichen und bisher weniger betroffenen Gebieten berichtet.

Bei der Zahl der Drogentoten gab es einen deutlichen Anstieg von 174 im Jahr 1999 auf 227 im Vorjahr. Dies wird allerdings weniger auf eine Zunahme des Konsums als auf zunehmend riskantes Konsumverhalten zurückgeführt.

Zwar werde in politischen Diskussionen immer wieder eine Verschärfung der Maßnahmen gegen illegale Suchtgifte gefordert, doch seien die Österreicher überzeugt, dass der bisherige Weg des "Helfen statt strafen" richtig ist. In Wien ergab eine Umfrage, dass 70 Prozent der Bevölkerung für eine Aufrechterhaltung des generellen Drogenverbots sind, aber auch für eine Entkriminalisierung von Abhängigen. Von 1995 bis 2001 sank der Anteil der Wiener, die sich für Haftstrafen wegen Drogenkonsums aussprachen von 27 auf 20 Prozent.

Im neuen Bericht wird erstmals auch ein Einzelschicksal erwähnt: Ein oberösterreichischer Aidskranker war angeklagt worden, weil er Cannabis gezüchtet hatte. Er wurde freigesprochen: Der 34-Jährige hatte vor Gericht beteuert, er sei seit 1994 an Aids erkrankt und habe das Haschisch aus medizinischen Gründen gebraucht. Es hätte seinen Magen beruhigt, dass er wieder essen und so sein Gewicht habe halten können.

Das Gericht entschied auf "rechtfertigenden Notstand" und fällte einen Freispruch - betonte jedoch, dass es sich um keinen Präzedenzfall handle. Dazu heißt es im Drogenbericht: "Das Gericht gab als Begründung an, dass das höherwertige Rechtsgut des lebenswerten Lebens die Durchbrechung des geringerwertigen Rechtsguts des österreichischen Strafrechts rechtfertige." (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 14.11.2001)