Ein besonderes Ruhmesblatt war weder seine Herrschaft über Kabul noch über Faisabad, das ihm und der Nordallianz am Schluss geblieben war: Burhanuddin Rabbani, international anerkannter Präsident von Afghanistan, kehrte nach der Vertreibung der Taliban am Mittwoch nach Kabul zurück, das er seit 1996 nicht mehr gesehen hat. Die überwältigende Mehrheit der Einwohner ist zwar wohl froh darüber, dass die Rabiat- islamisten weg sind, nach Rabbani dürften sie sich aber auch nicht besonders sehnen.

Zwar war sein späterer "Premier" Gulbuddin Hekmatyar - den er zugegebenermaßen nie geliebt hat - nach der Befreiung Kabuls von den Kommunisten der bei weitem größere Schlächter, aber den Namen Rabbani verbinden die Kabuler vor allem mit Krieg. Den die Taliban im Jahre 1996 beendeten und dafür vom Volk teilweise erleichtert empfangen wurden.

Burhanuddin ("Beweis des Glaubens") Rabbani, ethnisch Tadschike, 1940 in der Provinz Badakhshan geboren, absolvierte in seiner Jugend eine gediegene theologische Ausbildung unter anderem an der berühmten al-Azhar in Kairo. Nach Kabul zurückgekehrt, erhielt er einen Lehrstuhl für Philosophie; früh engagierte er sich in der (islamistischen) Politik, weshalb er aus Afghanistan flüchten musste, als die Sowjets Anfang der Siebziger an Einfluss gewannen. Seine Jamiat-e Islami ging nach 1979, dem Einmarsch der sowjetischen Truppen, in den Widerstand und wurde, besonders dank der militärischen Expertise Ahmed Shah Masuds, bald die wichtigste Mudjahedin-Gruppe.

Nach dem Sieg begann die gegenseitige Zerfleischung der Sieger, die hier nicht nacherzählt werden kann, jedenfalls wurde Rabbani 1992 zum Präsidenten gewählt, für zwei Jahre, eine Frist, die er im allgemeinen Chaos 1994 selbst verlängerte, auch der Rücktrittstermin 1995 verstrich. Angesichts der Alternativen - der Taliban - blieb die internationale Gemeinschaft bei ihrer Anerkennung.

Rabbani gilt als "gemäßigter" sunnitischer Islamist, im afghanischen Kontext heißt das, dass er keine Schiiten umbringen will, aber durchaus für eine Islamisierung aller Aspekte des Lebens ist. Er gilt als der Erfinder des Frauenarbeitsverbotes, hatte aber nie genug Macht, es durchzusetzen. In Faisabad durften die Mädchen lernen, in Schulen, deren Curriculum aus 90 Prozent Religion bestand.

Unzweifelhaft würde Rabbani im zukünftigen Afghanistan gerne wieder mitmischen, wobei aber seine Doppelzüngigkeit zuletzt nichts Gutes verspricht: Während seine Sprecher vor allem westlichen Zuhörern zu verkünden pflegen, dass Rabbani Zahir Schah und damit die US-Pläne unterstütze, sagte er selbst erst Dienstag wieder zu al-Jazeera, der Exkönig sei "nur als einfacher Bürger willkommen".

(DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2001)