Wien - Nach dem Signal aus Mailand, wonach die neuen Eigentümer der Telecom Italia (TI) zwecks Schuldenabbau am Komplettrückzug aus Österreich arbeiten, kommt Dynamik in den Verkaufsprozess. Für die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft ÖIAG, ist die zweite Privatisierungstranche nach dem Börsegang der Telekom Austria (TA) im November 2000 das "Königs- und Kernthema". Ziel der schwarz-blauen Bundesregierung war und ist die vollständige Entschuldung der ÖIAG, die nur über einen Verkauf von TA-Anteilen, wahrscheinlich im Paket mit den TI-Anteilen, gelingen kann. ÖIAG-Vorstand und TA-Aufsichtsratspräsident Peter Michaelis will bis Jahresende ein entsprechendes Konzept samt Handlungsalternativen erarbeitet haben. "Die TA soll komplett bis Ende 2002 verkauft werden", hieß es hingegen aus Unternehmenskreisen am Donnerstag . Nochmalige Bestätigung Der Präsident der Telecom Italia, Marco Tronchetti Provera, hat seine Entschlossenheit am Donnerstag bestätigt, sich aus der Mobilkom Austria zurückzuziehen. Im Gespräch mit Journalisten am Rande der Vorstellung der Telecom-Resultate im dritten Quartal erklärte Tronchetti Provera, dass sein Unternehmen "weder an der Mobilfunk- noch an der Festnetzbranche interessiert ist". Tronchetti Provera unterstrich, dass sich sein Unternehmen im Rahmen des Veräußerungsplans nicht nur von Beteiligungen im Festnetz- sondern auch in der Mobilfunkbranche trennen wolle, wenn die Anteile nicht wettbewerbsfähig seien. "Wir wollen eine Multinationale mit einer industriellen und nicht finanziellen Strategie sein", sagte Tronchetti Provera. Absichtserklärung Solche Alternativen sind nötig, seitdem die Deutsche Telekom (DT) ihre Kaufabsicht in Wien deponiert hat. Wie aus der ÖIAG durchsickerte, hat der deutsche Exmonopolist in einem Papier massives Interesse am TA- Festnetz angemeldet. Branchenkenner attestieren diesem einen Wert von rund zwei Milliarden Euro (rund 27 Mrd. S). Im Mobilfunkbereich ist die DT mit Max.mobil in Österreich gut aufgestellt. Andere Investorengruppen wollen die TA-Gruppe samt Butz und Stingl kaufen. Welche der beiden Wege für TI, die 28,9 Prozent an der TA hält, und welcher für die ÖIAG, die 47,8 Prozent besitzt, der günstigere ist und wie dies mit dem bis 2008 laufenden Syndikatsvertrag unter einen Hut zu bringen ist, dürfte für etliche Verhandlungstage und -nächte gut sein. Das Rechnen beginnt Zu den Investorengruppen, die die Telekom Austria am liebsten als Ganzes kaufen würden, zählen das britisch- deutsch-österreichische Konsortium rund um die Fonds Providence Equity, Apax und heimische Banken. Ein Konsortiumsvertreter sagte: "Das Signal aus Italien passt uns ins Konzept, weil uns bisher der Verkäufer gefehlt hat. Jetzt fängt die Arbeit an, jetzt sind die Karten auf dem Tisch." Man hoffe auf baldige Einsichtmöglichkeiten in die Bücher und den Syndikatsvertrag, eine Due-Dilligence-Prüfung habe es noch nicht gegeben. Als "Obergrenze" wird für die TA samt Mobilkom von dieser Gruppe ein Kaufpreis von fünf Mrd. Euro genannt. Andere Interessenten schätzen allein die Mobilkom auf gut 60 Mrd. S. Eine zweite Investorengruppe hat sich um die weltgrößte US-Buyout-Firma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) gebildet, die seinerzeit mit dem Nabisco-Deal die größte Firmenübernahme der Wirtschaftsgeschichte abwickelte. KKR hat in Österreich das Nebenstellengeschäft von Bosch gekauft und führt dieses als Tenovis weiter. Als Österreich- Vertreter dieser Gruppe, zu der auch der US-Telekomkonzern Ameritech zählen dürfte (war 1998 gegen TI unterlegen), wird der Bauindustrielle Hans-Peter Haselsteiner genannt. Auch der Industrielle Hannes Androsch soll mit an Bord geholt werden. Aus dieser Gruppe hieß es: "Es war zu erwarten, dass die Italiener alles verkaufen. Das müssen sie auf Druck der Banken." Swisscom hat kein Interesse Die Schweizer Telekomfirma Swisscom ist laut Mediensprecher Sepp Huber nicht an einem Einstieg bei der Telecom Austria (TA) interessiert. Die prall gefüllte Kriegskasse will die Swisscom für mögliche Übernahmen in der Datenkommunikation und im Mobile Service Providing nutzen. Eine Übernahme von Festnetz-Anbietern stehe nicht zur Debatte. Bewertungsprobleme Die Preisfindung wird von dieser Interessentengruppe als extrem schwierig dargestellt. Die TA habe 4000 Beamte zu viel und zehn Mrd. S zu viel in das Netz investiert. "Die Kuh ist nicht leicht auf die Beine zu bekommen", sagte der Investor. Zum Vergleich: Die TI ist 1998 mit 16 Euro je TA-Aktie eingestiegen. Laut Börsenprospekt darf TI ohne ÖIAG-Zustimmung bis Oktober 2003 nicht aus der TA aussteigen. Für ihren Viertelanteil an der Mobilkom gilt die Frist nur bis Juli 2002. Jet2Web Internet bleibt eigenständig Fix ist dass die TA-Internettochter Jet2Web Internet ungeachtet der derzeitigen Verkaufsdiskussion nicht in die Mutter reintegriert wird. Entsprechende Medienberichte wies TA-Technikvorstand und ab Monatsende auch Leiter der Jet2Web Internet, Rudolf Fischer, am Mittwochabend strikt zurück. "Es gibt keine Tendenz, das Unternehmen in das Haus rückzuführen", sagte Fischer vor Journalisten. Die Jet2Web Internet sei sehr gut positioniert. Die Zahl der Kunden sei von 250.000 auf 600.000 gestiegen. Der Marktanteil liege damit bei rund 40 Prozent. "Es wäre absurd, diesen Erfolg zunichte zu machen, indem man das Unternehmen jetzt verändert", sagte Fischer. Der TA-Technikchef wird - wie berichtet - nach dem Abgang des derzeitigen Jet2Web Internet-Chefs Eduard Zehetner in den Vorstand des Feuerfest- und Baustoffkonzerns RHI mit 30. November 2001 interimistisch die Position Zehetners übernehmen. Am Donnerstag stieg die Telekom Austria-Aktie erstmals seit dem Börsengang wieder auf 9 Euro. (APA/Michael Bachner, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe 15.11.2001)