Der morgige Welt-Diabetes-Tag hat eine der großen heimtückischen Epidemien der Gegenwart im Visier. Rund zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung sind betroffen. Weltweit ist mit einer Verdoppelung der Diabetikerzahl in den nächsten zehn Jahren zu rechnen. Ein unbemerkter Funktionsfehler im Fettstoffwechsel genügt, dass sich schleichend Diabetes oder andere, verwandte, Lifestyle-Erkrankungen wie Atherosklerose und Fettsucht entwickeln. Deren Bekämpfung hat Monika Lechleitner ihr Leben verschrieben. In ihrem Zimmerchen auf der Stoffwechselambulanz der Innsbrucker Uniklinik betreut die 46-Jährige täglich rund 60 Patienten, untersucht, diagnostiziert, stellt medikamentös ein, hilft mit Ratschlägen zur Lebensführung, tröstet, hält Ausschau nach den seelischen Faktoren im Krankheitsgeschehen und sammelt Daten für wissenschaftliche Untersuchungen. Zurzeit liefert Lechleitner Beiträge zur Tiroler Diabetes-Studie, erarbeitet Richtlinien zur Diagnose von Schwangerschaftsdiabetes und untersucht den Zusammenhang zwischen Entzündungsfaktoren, Typ-I-Diabetes und Gefäßerkrankungen. In Planung hat sie ein Projekt zum Thema "Blutzucker - was ist normal, was nicht?" Dabei will sie die Normwerte auf einem niedrigeren Niveau definieren und so die Chance bekommen, Typ-II-Diabetes früher zu erfassen. "Die Früherkennung ist besonders wichtig", betont die Medizinerin. "Denn der Alterszucker wird heute durchschnittlich zu einem Zeitpunkt diagnostiziert, da schon jeder zweite Patient einen Gefäßschaden, hohen Blutdruck und Übergewicht hat. Dabei ließe sich all das mit rechtzeitigen Maßnahmen hinauszögern, wenn nicht gar verhindern!" Große Hoffnungen setzt Lechleitner in die Gentechnik: "Für jeden Diabetiker ist die Diagnose ein einschneidendes Erlebnis. Sie bedeutet ständige Abhängigkeit vom Messen und Regulieren des Blutzuckers. Heute aber kann ich den Leuten Mut machen: Die Entwicklung geht dahin, dass insulinproduzierende Zellen die Aufgabe der Bauchspeicheldrüse übernehmen werden." Eigentlich wäre Kinderheilkunde das Traumziel der geborenen Innsbruckerin gewesen. Doch hätte sie auf einen Ausbildungsplatz warten müssen. Auf der Hämatologie bot sich einer. "Ich glaube, dass sich vieles schicksalshaft ergibt", bezweifelt Lechleitner die Möglichkeit ganz gezielter Lebens- und Karriereplanung. So auch wäre manches anders verlaufen ohne ihren Lehrer Josef Patsch, den Initiator des Tiroler Diabeteskonzepts. Ihm verdankt sie den Spielraum, sich zur führenden Frau in der österreichischen Erforschung der Lipide, der Fettbausteine des Organismus, zu entfalten. (DER STANDARD, Printausgabe 13.11.2001)