Der steirische Extrem-Entertainer Alf Poier erlöst die Menschheit in seinem neuen Programm "Mitsubischi" nicht nur von unnötigen Zielen und Hoffnungen. Das buddhistische "Alles ist eins" wird auch endlich in die Mur-Mürz-Furche heimgeholt: "Mir san mir!" Wien - Hingehen tut man mit Bauchweh. Weil nämlich Thomas Bernhard bezüglich "Life is a cabaret, my friend" schon immer völlig zu Recht meint: "Es ist, wie es ist - und es ist fürchterlich." Allerdings wird uns dann in der Wiener Kulisse sehr bald ein mit drei Vierteln Heckenklescher abgefüllter Buddha aus der Mur-Mürz-Furche begegnen, der fatalistisch dagegenhält: "Es is, wia's is." Friedrich Nietzsche, unter den Philosophen gemeinhin als harter Hund gehandelt und hier als bis dato unbekannter Schlagersänger mit seinem stoizistischen Hit Die Nochboarn ham an Huat auf vorgestellt, meint dann abschließend dazu: "Des dearf jo olles net woahr sei!" Wenn man in seinem Leben noch nie das Vergnügen hatte, den stoasteirischen Kabarettisten Alf Poier live zu sehen: Die alte These, dass einer in seinem Leben, wenn schon sonst nichts, so zumindest seine sieben Zwetschken zusammenhalten können sollte, dieses ja nicht gerade wegen nichts aufgekommene Postulat wird von dem Mann aus der Steiermark in seinem neuen Programm Mitsubischi in jeder einzelnen der folgenden 90 Minuten ad absurdum geführt. Alf Poier geht dann aber auch noch einen Schritt weiter. Hier bringt sich einer in einer furios inszenierten Chaos-Show nicht nur nach einem einleitenden australischen Aborigines-Tanz mit Vogelkäfig auf dem Blutzer selbst schon innerhalb der ersten Minuten an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Mit der bei Blutdruck 230 zwischen Tür und Angel und Gitarre und Schlagzeug und jeder Menge selbst gebastelter Ölbilder gestellten, großen und einzigen Menschheitsfrage nach dem Warum - und mitgelieferter Unannehmlichkeiten wie einer Dusche in der Küche und einem Klo auf dem Gang - bringt der Herz-Kasperl mit den geographisch bedingten Bell-Lauten in der Vokalgegend auch das Publikum über nichts weniger als die volle Distanz ins Schlingern. Was sagte er gerade? Wie meinen? Ist das witzig? Sicher? Bist du deppert, aber ja! Genauer gesagt lachen wir deshalb, weil: "Das hat jetzt mit nix zu tun im näheren Sinn." Sinn. Die Suche danach. Und warum immer alles in den Oarsch gehen muss. Positiv gesehen. Wenn Friedrich Nietzsche behauptet, dass Gott tot sei: Bitte, warum haben wir dann noch immer nichts geerbt?! Vielleicht deshalb, weil der orientalische Mystiker zwar sagt, alles ist eins, wir aber diese Weisheit trotzdem als "Mir san mir" auslegen. Reise nach Rom Der Sinn des Lebens muss am Ende in eine Kartonbox passen. Alles andere wäre unhandlich. Leider ist der Karton nur am Dienstag zwischen 13 und 15 Uhr geöffnet. Und weil alle Wege nach Rom führen, man selbst aber vielleicht gar nicht dorthin will, wird uns Alf Poier kollektiv gegen Ende seiner Show auf die Schnelle erlösen. Wir projizieren einfach alle unsere Ziele und Hoffnungen auf einen Plastilin-Buddha. Und Poier schlägt ihn für uns platt. Eine buddhistische Weisheit lautet: "Wenn du Buddha triffst, erschlag ihn." Aus. Ende. Endlich. Das Leben kann so einfach sein wie ein Satz von Marlene Streeruwitz: "Und." Bloß nichts mehr wünschen. Aber weitermachen! Bei Visionen gleich zum Arzt. Nach seinem ebenfalls an einem philosophischen Durchhalteprogramm angelehnten Abend im Zeichen des Zen müht sich der 34-jährige Alf Poier mit Mitsubischi einmal mehr an Fragen ab, die wir alle für Verbrechen büßen müssen, die wir so gar nicht begangen haben. Er legt dabei ein wahnwitziges und furioses Tempo an den Tag, das Witze nicht so sehr bemüht als diese nebenher zum Großistenpreis verschleudert werden. Mitsubischi , der in der Show erst sehr spät vorgestellte Titelheld, der für uns in die Welt hinaus ging, um diese zu erkennen und ihr nach Jahren der Kontemplation im australischen Busch dann den Namen Plemplem zu geben, knipst uns den Intellekt aus. Er weint für uns zur Sonne, er lacht für uns zum Himmel. Und nachdem der Mitsubischi vom alten Kinks-Evergreen Lola über Patrona Bavariae innerhalb von drei Minuten zu "Bück dich, ich will dich von hinten" von Rammstein gelangt ist und die Sadomaso-Latex-Maske wieder abgenommen hat, wird uns eine absolute Erkenntnis auf unserem restlichen Lebensweg begleiten: "Der Sinn des Lebens ist eine versalzene Eierspeis." Schmecks! (DER STANDARD, Print, Sa./So. 10./11.11.2001)