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Wien/Bregenz - Mehr als 250 Freiwillige im Innenministerium arbeiten seit Wochen außerhalb der normalen Dienstzeiten die Folgen der Volkszählung auf. Das Pensum: 50.000 bundesländerübergreifende Streitfälle um Hauptwohnsitze. Bearbeitungskosten: 30 Millionen Schilling (2,18 Millionen Euro). 20.000 weitere strittige Fälle werden von Gemeinden selbst ausgefochten. Wie jeder andere Bürger ist Georg Karl B. (21) gemäß des Finanzausgleiches rund 16.000 Schilling (1163 Euro) wert. Davon entfallen rund 6000 Schilling (436 Euro) auf die Gemeinde, die es schafft, seine Hauptmeldung an Land zu ziehen, den Rest erhält das heimatliche Bundesland. Georg ist ein Paradebeispiel für das Studentendilemma: daheim in Lochau in Vorarlberg, Studium in Wien. Bestimmung dass jeder Bürger seinen Hauptwohnsitz selbst bestimmen kann Beide Gemeinden wollen ihn haben, er allerdings nur eine: Lochau. Nach Aufforderung der Schiedsrichter im Innenministerium legte er brieflich seine Argumente dar. Erstens: "Ich will es so!" Dafür spricht die grundsätzliche Bestimmung, dass jeder Bürger seinen Hauptwohnsitz selbst bestimmen kann. Im Einspruch der Stadt Wien heißt es, dass "eine in der Wohnsitzerklärung angeführte allenfalls nicht die überwiegende Anzahl in Wien zugebrachter Tage ausweisende Aufenthaltsdauer unter Mitberücksichtigung der sonstigen Lebensumstände unrealistisch ist". Klartext: Georg sei meist in Wien, also Bundeshauptstädter. Daheim ist, wo Petzi wohnt Georg blieb aber dabei: Er halte sich den überwiegenden Teil des Jahres in Vorarlberg auf. Grund: "Mein Kater Petzi, zu dem ich immer noch, trotz seines hohen Alters (12 Jahre), ein psychisches Naheverhältnis pflege, wohnt dort." Weitere Pro-Lochau-Argumente: "Mein Fahrrad befindet sich dort, mit dem ich im Sommer meinen Arbeitsplatz, das "Strandbad Bregenz", erreiche, wo ich als Bademeister arbeite, was mir wiederum viele soziale Kontakte ermöglicht." Außerdem würde sich Georg "als Wiener beim Skifahren nicht wohl fühlen". Kritik an Wien Schluss mit lustig ist in der Stellungnahme der Gemeinde Lochau, die ausdrücklich ihren Unmut "über die Vorgangsweise der Stadt Wien bekundet". Wie berichtet, will Wien auch 15.000 Burgenländer zu echten Wienern machen. Im Büro des Wiener Finanzstadtrates Sepp Rieder werden im Gegenzug die Modalitäten für den Finanzausgleich kritisiert. Denn obwohl die Stadt bevölkerungsmäßig dazugewonnen habe, werde im Finanzausgleich ein Minus von 600 Millionen Schilling (44,9 Mio. Euro) bleiben. (Michael Simoner, DER STANDARD Print-Ausgabe 9.November 2001)