Der Fall machte Schlagzeilen. Theodor Piffl-Percevic trat 1969 freiwillig als Unterrichtsminister zurück, weil er mit seiner Überzeugung, die Einführung eines 13. Schuljahres sei unbedingt nötig, nicht durchdringen konnte. Der ÖVP-Politiker hatte vorgesehen, dass es ab dem Schuljahr 1971/72 ein neuntes Mittelschuljahr geben sollte, um die Bildungschancen zu verbreitern. Im Mai 1969 gab es ein Volksbegehren gegen das 13. Schuljahr, das knapp 340.000 Stimmen erbrachte. Die Volkspartei trug dem Rechnung, Piffl-Percevic konnte die Entscheidung seiner Partei mit seiner Überzeugung nicht vereinbaren und demissionierte.

Der lang zurückliegende Fall hat ungewohnte Aktualität. Seit gestern liegt wieder ein Volksbegehren zur Unterzeichnung auf, das sich mit Bildungsfragen beschäftigt. Doch während sich früher die Bildungspolitiker den Kopf darüber zerbrochen haben, wie es gelingen könnte, das System so zu optimieren, damit möglichst alle davon profitieren können, überlegen sich die bestimmenden Bildungspolitiker des Jahres 2001, wie das System "effizient" gemacht werden kann. Heraus kommt dann das politische Paradoxon, dass es Bildungspolitiker als Erfolg empfinden, wenn sie in einem Land weniger statt mehr Bildung umsetzen können.

Das ist eine überaus kurzsichtige Politik, die zwar dem Finanzminister zu höherem Ruhm gereichen mag, sich aber langfristig negativ auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auswirkt. Bildung ist nach wie vor eine der besten Investitionen in die Zukunft eines Landes. Sie entscheidet nicht zuletzt darüber, wer den internationalen Wettlauf der Hochtechnologiegesellschaften gewinnt. Die derzeitige Bildungspolitik bringt Österreich eindeutig Startnachteile. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 7.11.2001)