Mit einem ihrer - im wahrsten Sinn des Wortes - atemberaubenden Auftritte eröffnet das heimische Vocal-Groove-Project Bauchklang am Donnerstag das Wiener Voicemania-Festival. Ein Gespräch mit zwei seiner Protagonisten, Karl Schrumpf und Andreas Fraenzl. Wien - "Begonnen hat es bei mir damit", sagt Karl Schrumpf, "dass ich als Kind kein Schlagzeug haben durfte, weil das den Nachbarn wahrscheinlich nicht so getaugt hätte." Trotzdem brauchte seine frühe Faszination für Rhythmus ein Ventil. Was lag also näher, als mit dem Mund Schlagzeug zu spielen? Tschsch! Pfrrrr! Zzzssss! Schrumpf: "Andere Menschen summen oder pfeifen Lieder, ich hab' immer diese Geräusche gemacht." Schrumpf, 35 Jahre alt und menschliches Schlagzeug de luxe, ist das jüngste Sechstel von Bauchklang, einem Vocal-Groove-Project, das seit über fünf Jahren besteht und am Donnerstag in Wien das Voicemania -Festival eröffnen und dessen Namen eindrucksvoll rechtfertigen wird: Betonung auf Mania! Die Bezeichnung Vocal-Groove-Project ist hausgemacht, denn für die originäre Stimmakrobatik dieser Ausnahme-Formation ist A Cappella bestenfalls als Missverständnis, schlimmstenfalls als Beleidigung zu verstehen. Vokalist Andreas Fraenzl: "Wir haben mit dem ganzen Kleinkunst-Geschehen und halblustigen Humoreinlagen nichts zu tun und wollen es auch nicht!" Auch die Aussicht darauf, als bessere Jahrmarktattraktion bestaunt und herumgereicht zu werden, empfinden Bauchklang als wenig erbaulich: "Wir gehen deshalb bewusst weg vom Sitzpublikum hin in einen Konzert- und Club-Kontext, wo die Besucher tanzen können." Das entspricht der Musik. Denn bei Bauchklang werden nicht lercherlgleich Pop-Songs nachgezwitschert, Gerald Haubner, Andreas Fraenzl, Karl Schrumpf, Alex Böck, Flow Weinberger und Peter Groisböck adaptieren kraft ihrer Stimmen Musikstile wie HipHop, Dub, Drum and Bass und ihre diversen Verschmelzungen. Unerhört! Und das in einer unerhörten Art und Weise: Der stimmlich erzeugte Bass klingt wie ein gezupfter Viersaiter, das stimmlich produzierte Echo wie aus Lee Perrys Trickkiste und das stimmlich generierte Schlagzeug wie von Al Jackson gerührt. Man muss das so deutlich sagen, weil die Virtuosität der sechs sonst allzu schnell vergessen wird. Limits gibt es dabei laut Fraenzl höchstens bei der Beat-Geschwindigkeit. Sonst sei so gut wie alles möglich oder in Arbeit. Wo kommen diese Geräusche nun her? Sind das tatsächliche Bauchklänge? Schrumpf: "Nein, die Sounds entstehen im Mund und werden mittels Druck und Mikrofonhaltung variiert. Bei mir als Human Beatbox ist die Zunge der Drumstick." Sagt's und spielt schnell ein Hi-Hat: "Zzzssss!" Ihre Liveauftritte beschreiben beide als sehr intensive Erfahrungen. Kein Wunder bei rund eineinhalb Stunden physischer Extrembelastung, die zwischen Konzentration und Ekstase wandelt und entfernt an die spirituelle Entrücktheit von Gospelsängern erinnert. Ein Eindruck, den die sechs durch manische Bühnenpräsenz verstärken und der bereits bei einem Flex-Club-Auftritt für offene Münder sonder Zahl gesorgt hat. Etwas, das das aus Niederösterreichern und Wienern bestehende Ensemble im Moment auf einer größeren Europatournee Abend für Abend wiederholt. Grund dieser Tour ist das CD-Debüt von Bauchklang Jamzero (Vertrieb: Black Market). Auch wenn Fraenzl zugibt, bei Jamzero studiotechnisch herumgedoktert zu haben, ist es kaum zu glauben, was darauf stimmtechnisch generiert wurde. Fraenzl: "Das Album betrachten wir gesondert zu den Live-Gigs. Wir haben fast zwei Jahre darauf verwendet, und es birgt die Gefahr, dass man beim Hören vergisst, dass diese Musik nicht vom Computer, sondern von menschlichen Stimmen erzeugt wird." Den einzigen Wermutstropfen, der damit verbunden ist, verursachen Bauchklang selbst. Denn trotz aller Abgrenzungsversuche von A Cappella taucht auf Jamzero der Track Roxanne von - ausgerechnet! - Sting auf. Hier irren die Meister! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 11. 2001)