Analyse von Thomas Trenkler
Wien - Vor etwas mehr als drei
Jahren, als die Bundesregierung das Kunstrückgabegesetz
beschloss, lag für Kulturministerin Elisabeth Gehrer (VP)
der Zeitpunkt, bis zu dem
"reiner Tisch" gemacht sein
sollte, bei der Jahrtausendwende. Jetzt aber musste sie
einbekennen, was Eingeweihten schon von Anfang an klar
war: "Es handelt sich um wesentlich mehr Fälle, als ursprünglich angenommen."
Es geht um Abertausende
Kunstwerke, die den Besitzern
in der NS-Zeit gestohlen und
nie restituiert oder in der
Nachkriegszeit abgepresst
wurden. Um wie viele Fälle es
sich handelt, verschweigt
Gehrer aber in ihrem neuen
"Bericht über die Rückgabe
von Kunstgegenständen aus
den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen", der am Mittwoch
im parlamentarischen Kulturausschuss behandelt wurde.
Waren bis zum Dezember
1999 vor allem die bekannten
Fälle behandelt worden (wie
z.B. Rothschild), so folgten im
darauf folgenden Jahr eine
Vielzahl kleinerer: 255 Objekte und eine respektable Münzsammlung wurden restituiert
oder zur Restitution freigegeben. An die Erben nach Elizabeth Bondy, Hugo Breitner,
Wilhelm Goldenberg, Moritz
König, Oskar Pöller, Otto Brill,
Valerie Eisler, Emil Stiassny,
Heinrich Rothberger, Rudolf
Bittmann, Leo Fürst, Siegfried
Laemmle etc.
Der Wert der rückgestellten
Objekte ging - wie schon im
Jahr davor - in die Milliarden.
Schließlich erhielten/erhalten
zum Beispiel die Erben nach
Jenny Steiner, Nora Stiasny
und Hermine Lasus aus der
Österreichischen Galerie die
Klimt-Werke
Landhaus am
Attersee
,
Apfelbaum II
,
Bauernhaus mit Birken
und
Dame
mit Federboa
zurück.
Die Tätigkeiten der Stadt
Wien nehmen sich im Vergleich dazu eher bescheiden
aus: Seit 1999 wurden nur 18
Fälle behandelt, in sieben von
diesen erfolgte eine Rückstellung. Dabei ist die Zahl der
Objekte, deren Erwerb zu prüfen ist, gewaltig: Allein im Historischen Museum inventarisierte man in der NS-Zeit
mehr als 18.000 Objekte.
148 von diesen wurden bisher (zusammen mit einer lobenswert ausführlichen Beschreibung) ins Internet gestellt: Es handelt sich um Ankäufe bei der Vugesta, jener
Organisation der Wiener
Frächter, die das Umzugsgut
der Juden verscherbelte. Aber
auch die Ankäufe beim Dorotheum (700 Objekte) müssten
längst veröffentlicht werden:
Weil man von einer Unbedenklichkeit des Ankaufs in
keinem Fall ausgehen kann.
Und der Bericht, den Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP) am Dienstag dem
Kulturausschuss zur Kenntnis
brachte, enttäuscht. Weil er,
wie die Grünen kritisierten,
sehr vage formuliert ist, beschönigt und Schlampigkeitsfehler aufweist. Marie Ringler,
die Kultursprecherin der Grünen, brachte daher eine Anfrage ein, mit deren Beantwortung Mailath länger zu tun haben wird. Schließlich werden
insgesamt 60 Fragen
gestellt.
Und diese sind berechtigt.
Denn Ringler will z.B. wissen,
auf welcher Grundlage bis dato 769 Fälle als "unbedenklich" eingestuft wurden. Und
wie es passieren konnte, dass
Tausende Gegenstände jahrzehntelang als "Kriegsverluste" geführt wurden - obwohl
sie immer vorhanden waren.
WEB-TIPP:
www.museum.vienna.at
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 11. 2001)