"Wenn man in der Forschung international halbwegs mithalten will, dann muss man 70 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten", erzählt die 36-jährige Wiener Hirnforscherin Sabine Weiss. Die Früchte ihrer Arbeit konnte die Humanbiologin nun in Form einer Hertha-Firnberg-Nachwuchsstelle ernten. "Im Wesentlichen geht es in dem Projekt darum, aufzuzeigen, wie und wo Sprache überhaupt verarbeitet wird", erklärt sie. Es ist ihr zweites Interview an diesem Tag, es sind nur noch wenige Stunden bis zu ihre Abreise nach Bielefeld, wo sie Experimente für ihr Projekt vorbereitet. Dennoch gelingt es Weiss, die Begeisterung für ihre Arbeit zu vermitteln. "Wir untersuchen mittels Messungen der Gehirnaktivität, ob es für die 2000 Jahre alten linguistischen Kategorien neurowissenschaftliche Belege gibt", erklärt sie. Erste Erfolge ihrer Forschung gibt es schon zu verbuchen. So gelang es ihr aufzuzeigen, dass die Unterteilung in abstrakte und konkrete Substantive tatsächlich physiologisch real ist. Wichtig sei die Abkehr von der Ansicht, dass es fixe Sprachzentren im Gehirn gebe. Vielmehr gebe es weit verteilte funktionelle Netzwerke, erklärt die Forscherin, die auch über umfangreiche Linguistik- und Medizinkenntnisse verfügt. Eines der wissenschaftlichen Ziele ihrer Arbeit sieht Sabine Weiss neben der Grundlagenforschung vor allem auch in der praktischen Anwendung ihrer Erkenntnisse. Etwa in der Therapie von Aphasien, also Sprachstörungen, wie sie zum Beispiel nach einem Schlaganfall auftreten, und in der Verbesserung der Lehrmethoden beim Spracherwerb. Das persönliche Ziel ist jedoch anderer Natur: Sie möchte ihrer Forschungstätigkeit in Ruhe und ohne das schwebende Damoklesschwert der finanziellen Unsicherheit nachgehen können. Wie viele andere Wissenschafter auch, musste Sabine Weiss in der Vergangenheit öfters um die Finanzierung ihrer Forschungsprojekte kämpfen. Sehr deutlich erinnert sie sich noch an die Zeit, als sie zwischen zwei Projekten kurz arbeitslos geworden war. Neben dem Kampf um Finanzierung erfordert ihre Tätigkeit viele Reisen. Wenn die Zeit kommt und aus Forschern auch Eltern werden, die Zeit für ihre Familie haben wollen, wird ihre Situation immer prekärer. Viele Kollegen blieben dann auf der Strecke, erzählt sie. Weiss selbst nimmt ihren zweijährigen Sohn überallhin mit. Er zeige auch schon Interesse an ihrer Arbeit, vor allem für die Informatik könne er sich begeistern, erzählt sie lächelnd. Ihre eigene Zukunft und die ihrer Forschung ist zwar für die nächsten drei Jahre gesichert, doch was danach folgt, weiß sie nicht. Denn am Institut fehle es an entsprechenden Stellen, erklärt sie. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 11. 2001)