Daniel Ortega steht eine schwere Schlappe ins Haus, vermutlich die letzte in seiner langen politischen Laufbahn. Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nicaragua wurde der altgediente Sandinist, der sich so gerne jugendlich und machohaft präsentiert, ausgerechnet von Enrique Bolanos, dem 73-jährigen Vizepräsidenten, geschlagen. Der farblose Bolanos - einer seiner bedeutendsten Auftritte im Wahlkampf war die Eröffnung der ersten McDonald's-Filiale in der Hauptstadt Managua - stand stets im Schatten seines Präsidenten Arnoldo Aleman. Der alte Mann litt öffentlich darunter, dass selbst liberale Parteifreunde eingestehen mussten, Aleman sei der korrupteste Präsident weit und breit. Die in Nicaragua traditionell ausgeprägte Vetternwirtschaft trieb Aleman auf die Spitze, indem er fast seine gesamte Verwandtschaft mit Posten und Ämtern sowie sich selbst mit ausländischen Spendengeldern versorgte. Dabei war Bolanos Vorsitzender der Antikorruptionskommission - unternommen hatte er gegen die Schiebereien aber rein gar nichts. Die Nicaraguaner haben Bolanos offenbar mehr Kraft für notwendige Veränderungen zugetraut als Ortega und seinen Sandinisten, die sich mit blumigen Versprechungen im Wahlkampf überboten. Rund hunderttausend Jobs wollte Ortega neu schaffen - so viele, wie es heute im ganzen Land gibt. Wie die Sandinisten, die dem Land einst zwar Demokratie, aber kein Ende der Armut brachten, dieses Wunder der Jobvermehrung zuwege bringen wollten, verschwieg Ortega wohlweislich. Nicht einmal mehr der Einsatz des angesehenen Christdemokraten und ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Agustin Jarquin, der von den Sandinisten eingesperrt wurde und nun als Ortega-Stellvertreter antrat, konnte die Nicaraguaner auf die Seite der Exrevolutionäre ziehen. Das Volk vertraute den bisherigen Machthabern, auch wenn diese sich als unfähig erwiesen haben. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.11.2001)