Djerba - Tunesien ist wie Ägypten und Marokko besonders vom Rückzug reisewilliger Europäer betroffen. Präzise Gesamtdaten über das Buchungsminus nach den Terrorattacken vom 11. September in den USA können und wollen die meisten Veranstalter noch nicht vorlegen. Erste Hinweise lassen aber schon die Tiefe der Wunde erkennen, an der die Branche laboriert. Etwa doppelt so viele Reisestornos wie in früheren Jahren beklagt etwa Kurt Röck von der Europäischen Reiseversicherung. So habe es im Vorjahr zwischen Mitte September und Mitte Oktober insgesamt 1022 Stornos gegeben. Heuer waren es 2514 Fälle, davon betrafen 1000 Reisen in islamische Länder. Eine hohe Anzahl sei "aufgrund von ärztlichen Bestätigungen mit sehr vagem Inhalt" erfolgt. Wege aus der Krise In Djerba, der Tourismushochburg Tunesiens, wo der Österreichische Reisebüro-und Reiseveranstalterverband (ÖRV) seinen diesjährigen Kongress veranstaltet hat, war die Stimmung entsprechend gedrückt. Statt über Wellness und Sport zu plaudern, wie ursprünglich geplant, wurden Wege aus der Krise diskutiert. Auch von Flugangst war die Rede und wie man ihr begegnen sollte. Flugangst Flugangst ist ein Wort, das ÖRV-Präsident Günter Arlow vom Reisebüro Primus gar nicht gerne hört. Er spricht lieber von "Buchungsunlust" der Kunden. Daher freuen ihn Ankündigungen wie die von Franz Tobisch von Neckermann Österreich. Der Veranstalter will Kunden in der kommenden Sommersaison die Möglichkeit geben, bis vier Wochen vor Reiseantritt kostenlos umzubuchen. Frühbucher sollen ein paar Wochen länger als bisher, möglicherweise bis Ende Jänner, gratis stornieren dürfen. Andere Veranstalter wollen mit ähnlichen Aktionen nachziehen. Auch außerhalb Österreichs planen Reiseveranstalter Aktionen, um das Geschäft wieder anzukurbeln. Erst am Freitag hat Stefan Pichler, Chef des Reisekonzerns Thomas Cook, eine Verlängerung der Fristen für Frühbucherrabatte für die Sommersaison 2002 und zusätzliche Werbemaßnahmen angekündigt. Solches Service wird auch notwendig sein, um das Geschäft wieder anzukurbeln. Nach guten Jahren, einem Ausbau der touristischen Infrastruktur und einer ausgezeichneten Buchungslage bis zum Ende des Sommers rechnete etwa Tunesien heuer mit 15 Prozent mehr Urlaubern aus Österreich. Nun dürfte mit etwas Glück noch ein Plus von zwei Prozent bis Jahresende zu retten sein. Angst nehmen Mit der Ausrichtung des Kongresses in Djerba wollte der ÖRV auch ein Zeichen setzen, dass Angst nicht angebracht ist. Dennoch war es so, dass einige Branchengrößen ihre Konferenzteilnahme und den Tunesien-Trip heuer recht kurzfristig abgesagt hatten. (Renée Lugschitz, DER STANDARD, Printausgabe 3.11.2001)