Zu Halloween hat Microsoft das düstere Gespenst des Kartellverfahrens vorerst vertrieben. Der weltgrößte Softwarekonzern versprach eine Änderung seiner umstrittenen Lizenzbedingungen für PC-Hersteller und eine Öffnung des Microsoft- Betriebssystems Windows. Die Bundesregierung wird im Gegenzug nach übereinstimmenden Berichten von US-Medien die Klage gegen das Unternehmen von Bill Gates und Steve Ballmer zurücknehmen. Damit hätten sich die Verhandlungsparteien kurz vor Ablauf eines Ultimatums geeinigt, das die zuständige Bundesrichterin Colleen Kollar-Kotelly beiden Seiten für eine gütliche Einigung gesetzt hatte. Größere Freiheiten In Zukunft sollen PC-Hersteller größere Freiheiten haben, die Windows-Oberfläche auf einem Personal Computer zu gestalten. Microsoft konnte in der Vergangenheit untersagen, ob Programme von Konkurrenten wie Netscape oder Real vorab auf einen neuen PC installiert werden. Auch beim Entfernen bestimmter Microsoft- Programme wie des Windows Media Player hatte der Softwaregigant ein Veto-Recht. Das soll nun geändert werden. Außerdem muss Microsoft dem Vernehmen nach die Preise für Windows offen legen, die PC-Hersteller als Großeinkäufer zahlen müssen. Damit soll Microsoft daran gehindert werden, geschäftspolitisches Wohlverhalten bestimmter Firmen mit Sonderrabatten für Windows zu belohnen. Und der Quellcode? Noch unklar ist, in welchem Ausmaß Microsoft den bisher geheimen Quellcode für sein Windows-System offen legen wird. Zwar liegt hier eine allgemeine Absichtserklärung von Microsoft vor, doch besonders in dieser Frage liegt der Teufel im Detail. Davon betroffen sind vor allem Hersteller von Mobiltelefonen, Persönlicher Digitaler Assistenten (PDA) und großer Server-Computer, die nicht mit Microsoft strategisch verbunden sind. So hatten sich beispielsweise der PDA- Hersteller Palm und der Computerkonzern Sun Microsystem darüber beklagt, dass Microsoft systematisch wichtige Informationen zurückhalte, die ein unkompliziertes Zusammenarbeiten ihrer Produkte mit Microsoft-Software ermöglichen würden. Ebenfalls noch nicht entschieden ist die Haltung der Bundesstaaten, die neben dem US-Justizministerium am Verfahren gegen Microsoft beteiligt sind. Insbesondere New York und Kalifornien hatten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass sie keinen Kompromiss zu Lasten der Verbraucher akzeptieren werden. Doch selbst wenn alle Staaten der Einstellung des Kartellverfahrens zustimmen: Die Geschäftsstrategie von Microsoft wird auch in Zukunft kartellrechtlich umstritten bleiben. Streit um ein altbekanntes Thema Der neue Streit um Microsoft dreht sich eigentlich um ein altbekanntes Thema, nämlich die Vorherrschaft im Internet. Da Microsoft Anfang der neunziger Jahre die kommerzielle Bedeutung des Netzes komplett verpasst hatte, musste der Softwarekonzern in einem Gewaltakt aufsteigende Konkurrenten wie Netscape vom Markt verdrängen. Nun geht es nicht mehr um Web-Browser, sondern um das Internet als neue Basis für die gesamte Software-Industrie. Im Rahmen seiner ".Net"-Strategie (Dot-Net) will Microsoft künftig über das Netz Dienstleistungen wie eine virtuelle Brieftasche ("E-Wallet") zur Verfügung stellen. Außerdem sollen Programme wie Microsoft Office für Textverarbeitung, E-Mail und andere Büroaufgaben nicht mehr lokal auf einem Rechner installiert, sondern in einem Abo- Dienst über das Netz angeboten werden. Der Zugriff auf diese Dienste soll eng an die Verwendung von Microsoft-Produkten gekoppelt werden. Vorgeschmack Einen Vorgeschmack auf diese Politik bekamen vor einigen Tagen bereits die Anwender des Internet-Browsers Opera, der von einem kleinen Microsoft-Konkurrenten aus Norwegen stammt. Die Opera-Anwender konnten von einem Tag auf den anderen das Microsoft-Angebot www.msn.com nicht mehr aufrufen, da ihr Browser dafür angeblich technisch nicht geeignet sei. Nach kritischen Presseberichten über die Opera-Aussperrung bei MSN nahm Microsoft die Blockade schnell wieder zurück. (Von Christoph Dernbach/dpa)