Für viele war die Nachricht wohl ein Geschenk des Himmels – denn als heißer Medaillenkandidat hat Harald Ambros vor der Young Rider-Europameisterschaft im belgischen Waregem ((6.–9. September 2001) nicht gegolten. Und überhaupt: Wer rechnet denn schon mit einem österreichischen Europameister in der Vielseitigkeit – auch wenn es unzweifelhaft bergauf gegangen ist in den letzten zwei, drei Jahren? Eine Überraschung war der Sieg von Harald Ambros daher schon – nur für ihn selbst nicht: "Ich habe mir vor dem Championat schon Hoffnungen auf eine Plazierung gemacht, denn die heurige Saison ist für mich sehr gut gelaufen: Miss Haila war bei sieben Turnierstarts sechs Mal fehlerfrei im Gelände und sieben mal ohne Abwurf im Parcours, das heißt schon was. Außerdem haben wir die M beim internationalen Turnier in Neumarkt gewonnen und sind in der Staatsmeisterschaft in Feldbach Dritte geworden!" Ein Zufallsprodukt ist der jüngste Erfolg daher keineswegs, vielmehr der Lohn harter Trainingsarbeit – und vor allem eine Frucht des Vertrauens. Sechs Jahre lang haben Harald Ambros und Miss Haila dieses gemeinsame Vertrauen aufgebaut, behutsam, zielstrebig und doch konsequent – und nun ist es so stark, daß fast alles möglich ist – jedenfalls ein Europameistertitel. Ein einfacher Bursche Harald Ambros, geboren am 19. März 1980 in Linz, stammt aus einfachen Verhältnissen: Sein Vater ist Autohändler, die große Familie (Harald hat eine Schwester und drei Brüder, Harald ist der zweitälteste) lebt in Allerheiligen bei Perg im schönen Mühlviertel. Die Pferde-Passion liegt in der Familie, sein Vater reitet ebenfalls, und vom Großvater, einem Hufschmied, hat er das Beschlagen und viel über dem Umgang mit Pferden gelernt. Mit acht Jahren begann Harald mit dem Reiten, anfangs nur freizeitmäßig, mit 15 Jahren ist es aber ernster geworden, da bekam Harald sein erstes Turnierpferd, Nimmerdor – und holte schon beim dritten Turnierstart Platz zwei bei den österreichischen Jugend-Meisterschaften der Vielseitigkeit im niederösterreichischen Aspang. Das war 1995 – und 1996 kam dann Miss Haila in seinen Stall. Ein schwieriges Pferd Miss Haila, heute 12 Jahre alt, war am Anfang alles andere als ein problemloser Partner. Die altösterreichisch gezogene Stute (Vater Koheilan V, Mutter 933 Przedswit XIII) kam 1996 in den Besitz der Familie Ambros – und war damals ein Freizeitpferd, das aufgrund mangelnder sportlicher Leistungen verkauft wurde: "Ich habe Miss Haila bei einem Springturnier in Tragwein gekauft, wo sie beim lizenzfreien Bewerb nach mehreren Abwürfen ausgeschieden ist. Das ist ihr damals reihenweise passiert, bis der Besitzer das Handtuch geworfen hat." Harald Ambros aber hat gespürt, daß mehr in diesem Pferd steckt – und hat ganz langsam und vorsichtig mit der Aufbauarbeit begonnen. "Miss Haila ist eigentlich ein sehr vorsichtiges Pferd, fast zu vorsichtig für die Vielseitigkeit – umso wichtiger war es, ihr in der Ausbildung Vertrauen zu geben – Vertrauen zum Reiter, aber auch Vertrauen zu sich selbst." Eine tolle Karriere Schritt für Schritt wurde diese Vertrauensbasis aufgebaut und behutsam gesteigert, mit tatkräftiger Unterstützung seiner Trainer Christian Stelzl (Dressur) und Manfred Bauer (Springen). "Zuerst sind wir A-leicht-Bewerbe gegangen, dann einige Saisonen in A gestartet, schlielich sind wir über L bis zur großen M gekommen." 1997 wurde Harald Ambros mit Miss Haila OÖ Vize-Landesmeister der Junioren, 1998 Junioren-Landesmeister, im Jahr 2000 OÖ Landesmeister in der Allgemeinen Klasse – und 2001 Dritter bei der Vielseitigkeits-Staatsmeisterschaft in Feldbach. Eine gerade, stets aufwärts führende Linie war die gemeinsame Karriere dennoch nicht, Rückschläge hat es genug gegeben: "Wenn ich zu schnell gesteigert habe, hat sie mich ausgebremst, dann bin ich wieder eine Ebene runter gegangen – und hab nochmals angefangen." Schon im letzten Jahr wäre Miss Haila mit Harald Ambros für die Young Rider-EM im englischen Hartpury qualifiziert gewesen, doch Ambros entschied sich für sein zweites Toppferd, den Hengst Alfa Romeo, der sich in Hartpury jedoch vor der Dressur verletzte und nicht an den Start gehen konnte. Heuer hat er sich daher für Miss Haila entschieden – und die hat ihn, wieder einmal, nicht enttäuscht. Auch beruflich geht Harald Ambros zielstrebig seinen Weg: Er studiert Zahnmedizin im 3. Semester in Wien und möchte Zahnarzt werden – wenn’s das Studium zuläßt aber auf der bisherigen Basis auch weiterhin die Vielseitigkeitsreiterei betreiben. Das nächste sportliche Ziel ist die WM der jungen Pferde im nächsten Jahr, wo er mit der irischen Stute Miss Ferrari antreten möchte. Wer so höflich zu seinen Pferden ist, wird auch dort ohne Zweifel Erfolg haben. Leo Pingitzer/Pferderevue