Gespenstische Szene bei der Sonntagabend vom ORF übertragenen Verleihung des "Men's Award": die afghanische Kämpferin für die Rechte der Frauen, aus Sicherheitsgründen in den Ganzkörperschleier mit dem Fenstergitter ("Burka") gehüllt, der den afghanischen Frauen von den Taliban jetzt aufgezwungen wird. Sie sprach darüber, wie viel Leid über die Afghanen gebracht worden sei: "Zuerst von den Russen . . ." Hinter ihr stand der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow als Präsentator der Verleihung und blickte so vor sich hin. Der endgültige Untergang des sowjetischen Imperiums hatte doch mit dem Einmarsch in Afghanistan begonnen, noch unter Breschnew, und Gorbatschow war es gewesen, der nach zehn Jahren und Zehntausenden Toten endlich Schluss gemacht hatte mit dem ungewinnbaren Krieg. Das Sowjetreich war damit auch nicht mehr zu retten, aber Gorbatschow hatte gezeigt, dass ein sowjetischer Führer die Vergeblichkeit aggressiver, imperialer Gewalt begriffen hatte. Heute steht Gorbatschow auf einer Bühne in der Wiener Hofburg und verleiht Preise an Paul McCartney oder Luciano Pavarotti. Afghanistan ist unverändert: ein Ort der Gewalt und des Leidens. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 6.11.2001)