"Wen soll das jetzt noch interessieren?" Der Manager eines internationalen Konzerns lehnt an einem Auto, seinem Auto, seinem neuen Auto, immerhin eine Weltpremiere. Tief atmet er durch. "Wen soll das interessieren?"

Der Mann ist teils betroffen, teils verärgert. Und mit seinem Schmerz jedenfalls alleine. Die meisten Journalisten scharen sich um die wenigen Fernsehgeräte in den Ausstellungshallen und schauen CNN. Es ist Dienstag, 11. September, Tag der Terroranschläge in den USA und erster Tag der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt, der größten derartigen Veranstaltung weltweit.

Die beiden Türme des World Trade Center sind soeben eingestürzt, auf der Bühne von Citroen hopsen gerade ein paar Tänzer herum, Produktpräsentation. Seat hat seine Präsentation mit Bikinimädchen aufgepeppt, die meisten anderen Firmen setzen aber auf Tanzeinlagen.

Zitat: "Nichts ist mehr so, wie es einmal war

Nach ein paar Schrecksekunden, die einen ganzen Nachmittag lang andauerten, strichen praktisch alle Autofirmen ihre Showeinlagen. Was den Journalisten am ersten Tag zugemutet wurde, blieb dem Publikum an den folgenden, für alle offenen Tagen verwehrt. Die hübschen Mädchen, Aufputz eines jeden Präsentationsstandes, immer gleichmäßig freundlich aus der zum Teil knappen Wäsche grinsend, wurden nach Hause geschickt.

"Nichts ist mehr, wie es einmal war", sprach dann auch Chrysler-Boss Dieter Zetsche. Betroffenheitsrhetorik als Marketingstrategie oder bloß Fassungslosigkeit - schwer zu sagen. Tatsache ist, dass dieses Zitat zumindest für die Automobilindustrie nicht gelten wird, so weit das jetzt schon abzusehen ist.

Mehr Aufmerksamkeit

Die Vorbereitungen für die Tokyo Motor Show Ende Oktober laufen seit Monaten auf Hochtouren. Von einer Anpassung des Messekonzeptes an die noble Zurückhaltung, die den Veranstaltern in Frankfurt aufgezwängt wurde, wissen vom STANDARD befragte Automanager nichts. Die Sicherheitsvorkehrungen dürften gerade verstärkt werden, heißt es. Einer sagt: "So schlimm das jetzt klingen mag: Aber die Branche hofft für Tokio wieder auf mehr Aufmerksamkeit, nachdem Frankfurt indirekt vom Terror getroffen worden ist. Die Autos sind gebaut und müssen verkauft werden."

Weniger Besucher

Schließlich geht es ums Geldverdienen oder, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, um Arbeitsplätze. Und die Terroranschläge zeigten auch in Frankfurt ihre Wirkung: Am ersten Publikumstag waren um 19 Prozent weniger Besucher gekommen als am Vergleichstag des Jahres 1999. Gerechnet über das Wochenende, als der Schock nachzulassen schien, waren es nur mehr 4,6 Prozent.

Die Entscheidung der Veranstalter, ein wenig zurückzudrehen und auf Gehopse und laute Musik zu verzichten, wurde begleitet von allerhand Betroffenheitsprosa, deren Nachhaltigkeit angezweifelt werden muss. Der 11. September könnte aber ein Anstoß sein, das Konzept der IAA generell zu überdenken, sagte etwa Eckehart Rotter, Sprecher des veranstaltenden Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

Man kann sich nur wundern

Die Showeinlagen bei der Automesse, eigentlich bei jeder Automesse, lassen einen am Geschmack der zuständigen Marketing-oder Werbefachleute zweifeln. Die Tanzeinlagen und Shows rund um eine Produktpräsentation sind so wenig originell, so abgestanden und platt.

Umso verwunderlicher erscheint dieser Umstand, da es den internationalen Autokonzernen mit Millionenaufträgen gelingt, in der Werbewirtschaft ein enormes Kreativpotenzial freizusetzen. Genau dieses Kreativpotenzial kann bei der direkten Produktpräsentation Auge in Auge mit den Kunden dann aber offensichtlich nicht umgesetzt werden. So werden sich bereits in Tokio wieder flotte Bienen an schmucke Karossen schmiegen. (AUTOMOBIL, 21.9.2001)