Lausanne - Auf ihrer intimen Europa-Tournee ist Björk für die beiden einzigen
Schweizer Konzerte nach Lausanne gereist. Im Metropole bot sie am
Donnerstagabend einen warmen Zugang zu ihrem jüngsten Werk - dem fragilen,
introvertierten "Vespertine".
Es schneit weisse Papierschnitzel vom Bühnenhimmel, als die Isländerin die Szene
betritt. Björk steht allein im Scheinwerferlicht und lauscht den Tönen aus der
Musikdose, die geöffnet vor ihr steht. Hin und wieder klaubt sie konzentriert nach
einem Papierfetzchen, das die Mechanik behindern könnte. Um daraufhin mit "It's not
up to you" und dem zerbrechlichen "Cocoon" direkt in die verspielte, mitunter sperrige
Klangwelt ihres jüngsten Albums zu steigen, das live überraschend zugänglich ist.
Björk lässt sich dabei vom 50-köpfigen Novecento Orchestra, einem 14-köpfigen
Inuit-Frauenchor und der Harfenistin Zeena Parkins begleiten.
Herrscher über den perfekten Sound ist aber das Elektronik-Duo Matmos, das die
Fäden auf seiner computerbestückten Plattform bündelt und zöpfelt, so dass
Orchester und Chor nur selten aus ihrer Untermalungs-Rolle treten. Schade nur,
wenden die beiden genialen Soundtüftler dem Publikum - und Björk - meistens den
Rücken zu.
Unterkühlte Eiswelten
Im ersten ihrer beiden je 45-minütigen Sets tänzelt Björk bestrumpft, schuhlos und in
einem verwegen kurzen Glitzerkleid etwas verloren auf der Bühne umher. Unterkühlte
Eiswelten werden auf die Bühnenrückwand projiziert. Hin und wieder haucht Björk ein
schüchternes "Merci beaucoup" ins Mikrofon. Der Funke über den Orchestergraben hin
zum rund 1000-köpfigen Publikum springt spätestens mit dem emotionsgeladenen
und stimmgewaltigen "Joga" aus dem Album "Homogenic", bevor sich Björk in die
Pause verabschiedet.
Zurück kommt sie wie verwandelt - im tiefroten, bodenlangem Federkleid, dessen
Reifrock sie wie einen schützenden Kokon trägt. Mit der traumwandlerischen
Sicherheit einer Diva führt Björk das verzückte Publikum mit "We go to that hidden
place" direkt ins grosse und warme Herz ihres neusten Werks. Und dort möchte man
ewig bleiben. Björk läuft zu Höchstform auf und schmeichelt ihren Fans mit alten Hits
wie "Venus as a Boy" aus dem "Debut"-Album. Die musikalische Schwerarbeiterin
fühlt sich sichtlich wohl und tanzt ausgelassen auf der Bühne, was das an Stühle
gefesselte Publikum leider nicht kann.
"We love you", ruft stattdessen einer nach vorne. Björk dankt es mit zweimaliger
Zugabe und entläßt 1000 rhythmisch klatschende Händepaare mit dem noch
unveröffentlichten "It's in our hands" in die plötzlich so laue Nachtluft. Von wegen
Schnee. (APA)