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http://www.clemsnide.com/
Mit ihrem dritten Album spielen sich die New Yorker "Clem Snide" in die Oberliga jener Bands, die männliches Elend zu formulieren verstehen: eine Meisterleistung! "Love is only for the lovely and such a glamorous thing to waste." Mit dieser Grundsatzerklärung eröffnet Eef Barzelay das neue Album von Clem Snide und macht mit quengeliger Stimme und einem Gitarrenanschlag, der an durchhängende Hosenböden erinnert, klar, dass das Thema Liebe in seinem Leben eher auf der theoretischen Ebene als auf der praktisch-empirischen besprochen wird. Glamour! Von wegen. Das Schlagzeug pocht betreten, der Stehbass steht, die Hörner versuchen es mit Erhabenheit, heraus kommt beleidigte Resignation, und Barzelay selbst scheint mit sich auch nicht sehr im Reinen: "I don't wanna know me better", vermeldet er, kratzt sich die zerknautschte Polsterfrisur, fischt einen Popel aus der Nase und findet sich mit seinem Schicksal ab. So gut es eben geht. Manchmal geht es nicht, und dann muss aus Gründen der Kompensation Musik gemacht werden.

Man kennt derlei Kläglichkeit: verklärte Romantiker, feig wie italienischer Fußball, aber mit genug Triebhaftigkeit ausgestattet, den von ihnen anvisierten Platz im Leben doch immer wieder für sich zu reklamieren. Dass die Ansprüche dabei meist restlos überzogen sind und der Erfolg schon deshalb ausbleiben muss - egal: "Where is my moment in the sun?" Diese Haltung, die formal gerne im Soul des weißen Mannes, also im Country ihr Asyl findet, hat bei Bands wie den Ober-Slackern Green On Red, den Königen männlichen Elends, den Violent Femmes, oder den Sitzenbleibern von Lambchop immer wieder zu künstlerischen Höchstleistungen geführt: "Sing me a song for the dreamers!"

In den Kreis dieser Loser-Dauerabo-Bezieher spielen sich Clem Snide mit ihrem dritten Album, The Ghost Of Fashion. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass es sich bei den Clem Snide nicht um die üblichen Landeier handelt, die in Nachbars Garage ihre Gitarren einstecken, sich gekühlten Sixpacks freundschaftlich nähern, um anschließend zu jammen und jammern zu beginnen. Die vier Männer formierten sich vor zehn Jahren in Boston und zogen Mitte der 90er-Jahre nach New York. Ausgerechnet dort verabschiedeten sie ihre Punkrock-Vergangenheit zugunsten einer in die Breite gehenden Produktion samt begleitender Verlangsamung und formaler Unaufgeregtheit. Um die Atmosphäre von The Ghost Of Fashion zu gewährleisten, fuhr man dann aber doch aufs Land. Sicher ist sicher, und so ging es zielbewusst nach Richmond, Virginia.

Dort betreibt David Lowery (Ex-Camper Van Beethoven, Cracker und transatlantischer Freund der deutschen FSK) sein Sound Of Music-Studio, dass bereits Bands wie Sparklehorse jene Dichte verliehen hat, die auch The Ghost Of Fashion prägt. Statt großstädtischem Zynismus glänzen Clem Snide mit schrägem Humor, der darauf schließen lässt, dass Barzelay weiß, wie man ein Buch aufbekommt, und outen sich als zumindest in der Pop-Kultur firm, was zu Songs mit Titeln wie My Joan Jett Of Arc führt. Ein Stück, das sich mit einer großen und natürlich enttäuschten Liebe beschäftigt. Ähnlich instrumentiert wie die schon erwähnten Lambchop bestechen sie durch Stilsicherheit und Instinkt. Das Keyboard taucht an den richtigen Stellen auf. Die Streicher ebenso. Das Banjo verstummt zugunsten von Bläsern, diese halten wiederum für den Gesang die Luft an: Trotz all dieser spielerischen Versiertheit bleibt The Ghost Of Fashion wackelig, unsicher. In den poppigeren Momenten des Albums genauso wie im finalen Trauermarsch No One's More Happy Than You, in dem dann doch der Zynismus sein Haupt erhebt, und man sich fragt, ob man nicht ein ganzes Album lang ordentlich verarscht wurde.

Aber wer wollte angesichts so viel Hingabe derartig kleinlich sein? Ernst gemeint oder auch nicht: Clem Snide liefern mit The Ghost Of Fashion das schönste Elend seit langem. (Karl Fluch - DER STANDARD, Print, Rondo, 7.09.2001)