Wien - "Der Markt verlangt nach genmanipulierten Produkten", konstatiert der deutsche Biochemiker Hans Gassen. Er löste mit seiner Forderung, "die existierenden bürokratischen Hürden" endlich zu überspringen, beim derzeit in Wien stattfindenden Ernährungsweltkongress eine hitzige Debatte aus. Die deutsche Ernährungsexpertin Beatrix Tappeser hielt ihm entgegen: "Wir brauchen eine breit gefächerte Wissenschaft, an deren Ende eine demokratische Entscheidung der Gesellschaft stehen muss." Bisher sei die moderne Biotechnologie ein Projekt der westlichen Industriekonzerne, die Gewinn machen wollten - und nicht die Probleme in der Dritten Welt lösen. Professor M. S. Swaminathan aus Indien gab zu bedenken, dass "heute Nacht eine Viertelmilliarde Menschen unterernährt schlafen geht". Er setze etwa große Hoffnung in Forschungen mit Erdäpfelpflanzen, die mit einem Gen angereichert werden, das in Mangrovenbäumen vorkommt, die gegen eine hohe Salzkonzentration im Boden resistent sind. Bei Erfolg sei der Anbau von Erdäpfeln in Gegenden möglich, in denen dies bis dato undenkbar scheint. Problem: "Die Entscheidungen in dieser Frage werden primär von privaten Konzernen getroffen, nicht von der öffentlichen Hand." Auch der südafrikanische Gentechnikexperte David Sanders kritisierte: "Unsere Nahrung gehört heute wenigen Großkonzernen." Die weltweit operierenden Gentechnikkonzerne seien bereits zu den größten Saatgutfirmen aufgestiegen: DuPont (USA) halte 20 Prozent am größten Saatguthersteller Pioneer und Novartis (Schweiz) sei der größte Agrochemie-Vertreiber der Welt und der drittgrößte Saatgutproduzent. "Heute leidet auf der Welt eine von sieben Personen Hunger", so Sanders, der nicht davon überzeugt ist, dass dieses Problem mit Gentechnologie zu lösen sei. Mögliche Gefahren von gentechnisch manipulierten Pflanzen für Mensch und Umwelt seien noch nicht abschätzbar. (APA)