Wien - Die Bauwirtschaft, die jahrzehntelang einer schwachen Konjunktur auf die Sprünge half, ist dazu mangels öffentlicher Infrastruktur-Investitionen und eines stark gesunkenen Wohnungsneubaus nicht mehr in der Lage, weder in Deutschland noch in Österreich. Während in den vergangenen Jahrzehnten die öffentliche Hand in Zeiten der Rezession in die Infrastruktur investierte und damit Arbeitsplätze sicherte und den Wirtschaftsstandort Österreich absicherte, fehlen derartige Investments derzeit, kritisiert der Präsident der Vereinigung Industrieller Bauunternehmen Österreichs (Vibö), Porr-Chef Horst Pöchhacker. Politik Aus politischen Gründen lenke die Regierung einen Großteil der öffentlichen Budgets in den importlastigen Konsum und das Kindergeld und verlängert die seit Jahren dauernde Vernachlässigung von Infrastruktur-Investitionen, so der Vibö-Präsident. Als weitere massive Belastung für die Bauwirtschaft sieht Pöchhacker die restriktive Kreditvergabe der Banken an Bauunternehmen durch die neuen Eigenkapitalvorschriften ("Basel II"). Nachfrage-Monopol In Österreich ist die Baubranche, die speziell im Tiefbau von der Nachfrage der öffentlichen Hand abhängig ist, mit einem jährlichen Produktionswert von 400 Mrd. S (29 Mrd. €) der größte Wirtschaftszweig von dem annähernd eine Million Menschen leben. Pöchhacker appelliert daher an Finanzminister Karl- Heinz Grasser, für notwendige Infrastrukturprojekte budgetneutral Kredite aufzunehmen, deren Rückzahlung aus den Einnahmen vom Roadpricing gesichert wäre. "Wenn man auf das Roadpricing im Jahr 2003 wartet, ist es zu spät", warnt Pöchhacker, zumal die Investitionen der öffentlichen Hand der Humus für folgende private Investments seien. Eine Vielzahl von privaten Betrieben hätten in der jetzt zu Ende gehenden Konjunktur zwar Gewinne produziert, diese aber nicht investiert. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt auch die Baustatistik: Die Umsätze im Straßenbau, die bereits im Vorjahr um über sechs Prozent nachgaben, sanken in den ersten vier Monaten 2001 neuerlich um zehn Prozent auf 1,9 Mrd. S. Die Zahl der Beschäftigten ging im ersten Halbjahr um 10.000 bis 15.000 zurück. Im Juni zählte die Bauwirtschaft nur mehr 263.000 Beschäftigte, im Vorjahr waren es im Juni noch 278.000. Gesamtjahr Dieser Rückgang von rund fünf Prozent dürfte auch im Gesamtjahr halten, meint Michael Steibl, Geschäftsführer der Vibö. Im Vorjahr sank die Zahl der Baubeschäftigten bereits um zwei Prozent. Im Juli zählte die Bauwirtschaft 21.261 Arbeitslose, ein Plus von 16,2 Prozent; in den reinen Bauberufen kletterte die Arbeitslosenrate gar auf 20,6 Prozent. In den vergangen Jahren waren die falschen Investitionen aber weltweit Praxis, beklagt der Porr-Chef die globale Problematik: "Schulden machen und abzocken, schnelle Gewinne, gepaart mit einer Börsenmanie." Als Folge ging die öffentliche Infrastruktur fast ein, siehe Stromkrise in Kalifornien oder die desolaten britischen Bahnen. Umdenken Nach dem Kurssturz an den Börsen müssten nun auch die Bank-Analysten umdenken. Denn: "Eine seriös geführte und solide Baufirma, die nicht ständig expandiert und andere Firmen übernimmt, hat zurzeit an der Börse keine Chancen. Es fehlen ihr schlicht die notwendige Erotik und die dazugehörende Investmentstory, die Firmen wie Libro und andere offensichtlich gehabt haben", argumentiert Pöchhacker. (Claudia Ruff, DER STANDARD, Printausgabe 31.8.2001)