Man könnte sich für ein solches Kursfinale einen gesitteteren Maestro vorstellen, das käme einem weniger ohrenbetäubenden Hörerleben zugute. Andererseits scheint es für den Nachwuchs von Nutzen zu sein, einmal in Hitze die Botschaften Schostakowitschs (Kammersinfonie op. 110 a), Mendelssohns (die Schottische op. 56) und Prokofieffs (Violinkonzert Nr. 2) zu vernehmen. Als Solistin punktete die 14-jährige Sandra Cameron, ein Talent, aber auch eine zarte Pflanze, die bedächtig gepflegt werden sollte.
Nestlé-Österreich firmiert für das Attergauer Unternehmen als Initiator. Wenn nun auch die Berliner Philharmoniker eingetroffen sind, dann ziert sich auch nicht die Deutsche Bank (als "unser Partner") im Kleingedruckten des Programmes darauf hinzuweisen, in welche Richtung sie ihre schwarzen Zahlen auszuschütten beliebt.
Dies wird man gutheißen, wenn unter der Leitung von Claudio Abbado eine fiebrige Aufführung zustande kommt, wie jene der Siebenten von Gustav Mahler. Nicht nur, dass Abbado, gesundheitlich offenbar wieder gefestigt, als Persönlichkeit, als Mensch dem Orchester spürbar näher gekommen ist. Es ist um sein asketisches, fordernd-liebevolles Dirigieren eine Aura der Selbstlosigkeit, die von den Musikern auf rücksichtsvolle, in der gestalterischen Konsequenz völlig schonungslose Weise angenommen und akustisch-philosophisch reflektiert wird.
Mahlers kapitale Nachtmusik mit ihren schwarzbunten Kleins- und
Elementarereignissen vollzog sich - keinesfalls perfekt in der detaillierten
Sachbehandlung - in einer Atmosphäre von Spannung und Weitsicht, von Geben
und Nehmen, wie sie in den erlebten Annalen der Festspiele von absolutem
Seltenheitswert ist. Zuweilen darf man gesammelte Kräfte eines Interpretierens
auch am Grad der publikativen Geschocktheit - nämlich Ergriffenheit - messen.
Im Großen Haus herrschte lautstarke Andacht, endloser Jubel, und dann
entschieden sich die Massen für jene Aufsprungbegeisterung, die man
anglikanisch als Standing Ovations bezeichnet, wo sie doch mancherorts ein
automatisierter, auch von langer Beifallshand inszenierter Reflex ist. Es war ein
Mahler-Abend wie kaum ein Zweiter. Die Hörer schienen am Ende ihren Claudio
zu umarmen. Eine Intimität, die sich applaudierend auch das Orchester erlaubte.