Panorama
Systemerhalter in Unterhosen
Vor 50 Jahren wurde erstmals ein deutsches "Mickey Maus"-Heft verbreitet - und damit westliches Konsumverhalten und dessen Moral
Wien - Schon bei ihrer Begrüßungsrede am 29. August 1951
hätten beim Leser die Alarmglocken schrillen müssen:
"Hurra, ich bin da! Ich heiße
Micky Maus, jeder kennt mich
oder hat von mir gehört, und
viele haben mich schon im
Film gesehen. Jetzt habe ich
auch meine eigene Zeitschrift,
die Ihnen guten Gewinn
bringt." Nicht nur, dass der
präpotente Kerl mit seiner
"ersten Zeitschrift in
Deutschland mit Vierfarbendruck auf jeder Seite" und einer "völlig neuen Unterhaltung" angibt: "Lustige Geschichten in bunten Bildern
von der Meisterhand Walt
Disneys."
Der eigentliche Hund liegt
am Ende begraben, wo die
Maus aufgrund der massiven
Werbemaßnahmen prognostiziert: "Dann sollen Sie mal sehen, wie man sich um mich
reißt! Und deshalb gebe ich
Ihnen einen guten Rat: Bestellen Sie mich rechtzeitig
und reichlich, damit Sie dem
Ansturm gewachsen sind."
Ohne Geld keine Musik
Im Nachkriegsdeutschland
ist das mit dem "Ansturm" in
Zeiten des Kalten Krieges polemisch gesagt nichts anderes
als eine plumpe Drohung,
eventuell mangels Kaufkraft
oder mangels Willen zur Erlangung von Kaufkraft die
Segnungen des westlichen
Kapitalismus zu versäumen.
Donald Duck kann uns davon
ein Lied singen und die These
beweisen, dass kein Geld auf
jeden Fall auch keine Frauen
bringt. Schließlich werden
auch die ebenso verspießerten
Comicfiguren der Mainzelmännchen vom Zweiten Deutschen Fernsehen bald
beim Wiederaufbau des antisozialistischen Schutzwalls
US-geprägten Konsumverhaltens mitwirken. Schließlich
ist die europäisch-anarchistische Gegenbewegung von
Asterix und Obelix in den
60er-Jahren noch weit.
Was hier besserwisserisch
"geraten wird", ein Hauptcharakteristikum der letztlich gar
nicht lustigen, sondern obrigkeitshörigen Maus, manifestiert sich auch recht schnell in
den in bis zu 400.000 Stück
Auflage erscheinenden wöchentlichen Heften.
Comics mit Zeigefinger