Wien - Die in wenigen Wochen beginnenden Herbstlohnrunden werden angesichts der Krisenstimmung im Gewerkschaftsbund (ÖGB) besonders schwierig. Abseits der jährlich wiederkehrenden Herbstmanöver, bei denen zum Halali auf die fetten Unternehmensgewinne geblasen wird, gibt es heuer einen gravierenden Unterschied gegenüber dem Vorjahr: Die SPÖ macht erstmals Oppositionspolitik und dies schlägt voll auf den ÖGB durch. Daran ändert auch wenig, dass Metallgewerkschaftsboss Rudolf Nürnberger am Dienstag betonte, dass "die Lohnrunde und die Innenpolitik zwei Paar Schuhe sind". Diese werde man sicher nicht vermischen und überhaupt beteilige man sich an Zahlenspielen nicht. Dennoch erscheint die am Rande einer ÖGB-Krisensitzung über die Postgewerkschaftsaffäre geäußerte Forderung nach einer vierprozentigen Tariferhöhung rein rechnerisch plausibel: Die Produktivität dürfte um 1,3 Prozent zulegen und die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt mit 2,6 Prozent errechnet. Die zentrale Größe, das Wirtschaftswachstum, hat sich aber nahezu halbiert und wird heuer nur bei 1,7 Prozent erwartet. Gleichzeitig wollen die Arbeitnehmer freilich an den kräftigen Gewinnen im Jahr 2000 mitnaschen. Düsterer Konjunkturausblick "Überspitzt formuliert sind wir aber am Rande einer Rezession", mahnt Wifo-Wirtschaftsforscher Ewald Walterskirchen zur Besonnenheit. Allen voran die Informations- und Kommunikationstechnikbranche sei von den Einbußen bereits betroffen, der Konjunkturausblick sei düster. Zur Erinnerung: Im Rekordjahr 2000 lag die Wachstumsrate bei 3,3 Prozent und die Produktivität legte um 2,3 Prozent zu. "Arbeitnehmer haben fast ein Prozent verloren" Im Vordergrund steht für die Gewerkschaften bei den Kollektivvertragsverhandlungen (KV) die Abgeltung der Vergangenheit. Im Hinterkopf spielt aber auch noch das Sparpaket mit. "Unterm Strich haben die Arbeitnehmer netto fast ein Prozent verloren", rechnet Wifo-Mann Walterskirchen vor. Kein Bußgeld Die Arbeitgeber der 135.000 Metallarbeiter und 123.000 Industrieangestellten verweisen zwar darauf, dass die aktuellen Konjunkturdaten für die Branche noch nicht vorlägen, ein "Bußgeld" für das Sparpaket komme aber keinesfalls infrage. Schließlich hätte auch die Wirtschaft ihren Obulus für die Budgetsanierung geleistet. Das macht die am 21. September beginnende Metallerlohnrunde heuer besonders spannend, vor allem aber schwierig. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 29. August 2001)