Alpbach - Das Beziehungsgeflecht der drei Großmächte EU, USA und Russland stand am Montag vormittag im Mittelpunkt der Referate beim Europäischen Forum Alpbach. Ebenso wie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach sich auch der belgische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Louis Michel für die engere Einbindung Russlands in einen großen europäischen Wirtschaftsraum aus. Michel ging sogar so weit, eine EU-Mitgliedschaft Russlands in absehbarer Zeit nicht auszuschließen, obwohl ein solches Projekt aus offizieller Brüsseler Sicht die EU überfordern würde. "Nicht heute oder morgen, aber vielleicht übermorgen" könnte Russland der EU laut Michel angehören. Schließlich gehöre das Land historisch und kulturell zum europäischen Raum. Michel verwies auch auf die Notwendigkeit einer engen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Moskau etwa im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Mit der Osterweiterung würde Russland wegen der lange Grenzen zur EU zum größten Nachbarstaat. Hassliebe Wie eng aber teilweise auch widersprüchlich und konfliktreich die Beziehungen zwischen der EU und den USA über die Jahre geworden sind, verdeutlichte Michel an zahlreichen Beispielen handelspolitischer Friktionen von der Umwelt-, über die Agrarpolitik bis zu den Stahlexporten und dem audio-visuellen Sektor. Das neue nationale US-Raketenabwehrprogramm wecke beträchtliche Ängste vor einem Bruch der transatlantischen Beziehungen in Europa. Trotz aller Spannungen und intensivem Wettbewerb bleibe die Zusammenarbeit aber "unerlässlich." Die Rolle Europas als "global player" werde nach der Erweiterung zunehmen, zeigte sich Michel zuversichtlich. Ein positives Bild zeichnete der Stellvertretende Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Wladimir Potapow, von den Reformerfolgen Russlands. Der Beschluss entsprechender Gesetze habe ein Wirtschaftswachstum von 8 Prozent im vergangenen und erwarteten 5 Prozent in diesem Jahr ermöglicht. Mit 13 Prozent habe Russland die niedrigste Einkommenssteuer in Europa eingeführt. An Antikorruptionsgesetzen werde derzeit gearbeitet. Vorrang habe auch der Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Terrorismus. Potapow brachte in diesem Zusammenhang nochmals den bekannten Standpunkt Moskaus vor, dass Tschetschenien ein "Zentrum des internationalen Terrorismus" sei, gegen den die Regierung vorgehen müsse. Schüssel stellte klar, dass die internationale Gemeinschaft sich nicht in innere Angelegenheiten Russlands einmischen wolle, aber humanitäre Hilfe für die Konfliktregion anbiete. Sicherheit und Raketen Der europäischen Skepsis gegen das geplante nationale Raketenabwehrschild der USA trat der stellvertretende Unterstaatssekretär für Europäische Angelegenheiten im amerikanischen Außenministerium, Robert Bradtke, entgegen. Die USA bräuchten Abwehrmöglichkeiten gegen unkalkulierbare Risiken: "Wir dürfen nicht Geiseln von Massenvernichtungswaffen oder Terroristen werden." Die Nato bezeichnete Bradtke als Fundament der europäisch-amerikanischen Beziehungen der letzten 50 Jahre. Sie habe durch ihre Ausdauer zum Ende des Kalten Krieges wesentlich beigetragen. Bereits kommendes Jahr werde über die Aufnahme weiterer Mitglieder in Osteuropa entschieden. Bradtke begrüßte auch die Pläne, die künftige europäische Sicherheitspolitik mit der Nato abzustimmen als "wirkliche Verbesserung": "Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen." Die OSZE-Bemühungen um die Schaffung eines Sicherheitsraumes in Europa nicht zu vergessen, bat der Generalsekretär der Organisation, Jan Kubis. Er warnte insbesondere davor, durch das Schengen-Abkommen über die verschärften Kontrollen der Außengrenzen nicht eine neue Kluft zwischen West- und Osteuropa aufzureißen. Der jugoslawische Außenminister Goran Svilanovic nannte die Mitgliedschaft seines Landes in EU und Nato als langfristiges Ziel Belgrads. (APA)