Salzburg - Die EU-Erweiterung bringt sowohl den bisherigen Mitgliedern der Union als auch den Kandidatenstaaten mehr Vorteile als Belastungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums, die am Dienstag im Rahmen einer Regionalkonferenz der Wirtschafts- und Arbeitsminister Österreichs, Polens, der Slowakei, Sloweniens, Tschechiens und Ungarns in Salzburg vorgelegt wurde. Für beide Seiten entstehen aus der Vergrößerung des gemeinsamen Marktes langfristige Wachstumsimpulse. Dabei werden die künftigen Mitglieder der Union deutlich stärker profitieren: Der Studie zu Folge werden von den fünf Staaten der "regionalen Partnerschaft" Ungarn und Polen durch den EU-Beitritt ihr reales BIP-Wachstum um zusätzlich acht bis neun Prozentpunkte über einen Zeitraum von zehn Jahren steigern können; für Tschechien, die Slowakei und Slowenien werden etwa vier bis sechs zusätzliche Prozentpunkte prognostiziert. Österreich wird einen Wachstumsimpuls von zusätzlichen 0,75 Prozentpunkten des BIP in diesem Zeitraum erhalten. Österreich größter Nutznießer des Osthandels Die Ursache für diese Differenz liegt vor allem darin, dass Österreich bereits in den vergangenen zehn Jahren seit dem Fall des Eisernen Vorhangs zu den größten Nutznießern des boomenden Osthandels gehörte. Österreichs Exporte allein in die fünf Staaten der "regionalen Partnerschaft" betrugen im Vorjahr fast 8,5 Milliarden Euro (117 Milliarden Schilling) und überstiegen damit die Summe der Ausfuhren in die USA und die Schweiz. Zudem erwirtschaftet Österreich mit den mittel- und osteuropäischen Staaten traditionell Außenhandelsüberschüsse: im Jahr 2000 in der Höhe von 1,53 Milliarden Euro. Die größten Profiteure Nach Berechnungen der Studie werden jene Staaten mit engen geografischen, historischen und kulturellen Beziehungen zu den Kandidatenländern am meisten von der Erweiterung profitieren. Dies sind Österreich, Deutschland und Italien. Außerdem sieht die in der Agenda 2000 beschlossene EU-Finanzierung vor, die Erweiterung unter anderem durch Reformen der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik und der Regionalförderung sicher zu stellen. Dadurch verlieren bisherige Netto-Empfänger wie Spanien und Portugal Finanzmittel, während Netto-Zahler wie Österreich und Deutschland tendenziell profitieren. Arbeitsmarkt ist "politisch heiße Kartoffel" Die Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den Arbeitsmarkt bezeichnet die Studie als "politisch heißeste Kartoffel" des Prozesses. Die realen Auswirkungen sind aber, so weit realistisch prognostizierbar, wesentlich geringer als oft befürchtet. Nach einer neuen Untersuchung der EU würden - unter der Voraussetzung, dass es keine Restriktionen gibt - nach dem Beitritt der fünf Staaten der "regionalen Partnerschaft" rund 70.000 Arbeitskräfte pro Jahr auf den Arbeitsmarkt der EU-15 strömen. Nach zehn Jahren würde diese Zahl auf 35.000 sinken. Zwei Drittel davon (45.000 jährlich in den ersten zehn Jahren) würden nach Deutschland, zehn Prozent (8.000 pro Jahr) nach Österreich kommen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren würde damit die Zahl der Arbeitnehmer aus den fünf Staaten in Österreich von rund 100.000 (1998) auf 470.000 (2030) steigen. In Prozent bedeutet das einen Zuwachs von 1,3 Prozent (1998) an der Gesamtbevölkerung auf 5,5 Prozent (2030). Die von Deutschland und Österreich durchgesetzten Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer lassen aber selbst diese Projektionen mittlerweile deutlich zu hoch erscheinen. Sicherung von Sozial- und Pensionssysteme immer wichtiger Darüber hinaus weist die Studie nach, dass zur Sicherung des Sozial- und Pensionssystems wegen der Überalterung der Gesellschaften Westeuropas Zuwanderung immer dringlicher wird. Nach einer UNO-Studie brauchen die EU-15 zwischen 1995 und 2050 rund 1,4 Millionen Zuwanderer, um ihre Arbeitsbevölkerung zu stabilisieren. Außerdem ergeben Berechnungen, dass Migration in der Summe für Aufnahmeländer durch höhere Steuerleistungen und Konsumausgaben langfristig sogar einen geringfügigen Gewinn ergibt. Die Konjunkturaussichten für die fünf Staaten der "regionalen Partnerschaft" beurteilt die Studie mit Ausnahme der gegenwärtigen Schwäche-Periode Polens positiv. Nach einem BIP-Wachstum in der Region im Jahr 2000 von 3,8 Prozent (EU: 3,4 Prozent), rechnet die Studie für 2001 und 2002 mit einem durchschnittlichen Wachstum von drei bis vier Prozent. Die Abschwächung der Konjunktur in Westeuropa (insbesondere in Deutschland) könne teilweise durch stärkere Inlandsnachfrage und Rationalisierungsgewinne abgefedert werden. Unverändert hoch bleibt der Studie zu Folge in allen Staaten die Arbeitslosigkeit mit zweistelligen Raten. (APA)