In den Musikgeschäften hat die CD die Schallplatte längst in die hinteren Verkaufsregale verdrängt. Der analogen VHS-Videokassette droht jetzt ein ähnliches Schicksal: Die Digital Versatile Disc (DVD) hat zum Siegeszug in den Wohnzimmern angesetzt. Fast drei Millionen deutsche Haushalte haben schon ein DVD-Abspielgerät, und täglich werden es mehr - ein Milliardengeschäft. So, wie die CD Musik wiedergibt, gibt die DVD Spielfilme wieder: in brillianter Ton- und Bildqualität mit vielen Extra-Funktionen. Pünktlich zur Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin präsentieren die Hersteller nun für Preise um die 28.000 Schilling die ersten DVD-Geräte, mit denen die Silberscheiben nicht nur abgespielt, sondern auch bespielt werden können.Andere haben Sorgen Was die Elektronikhersteller als neuesten Knüller der digitalen Revolution anpreisen, bereitet der Filmindustrie Kopfschmerzen. Mit etwas technischem Know-how lassen sich DVD-Filme bereits jetzt zum Herunterladen ins Internet stellen oder per Brenner auf CD überspielen. Bespielbare DVDs werden das Raubkopieren ohne Qualitätsverlust noch viel einfacher machen. Den Rechteinhabern geht dadurch viel Geld verloren. Die Branche befürchtet Zustände wie in der Musikindustrie: Der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft klagt darüber, dass die Branche durch selbst gebrannte CDs allein in Deutschland jährlich 350 Millionen Mark (179 Millionen Euro/2,46 Milliarden Schilling) an Umsätzen einbüßt. Schneeballeffekt Der Hamburger Urheberrechtsexperte Jan Scharringhausen erwartet einen "Schneeballeffekt" bei der Filmpiraterie, auch wenn bespielbare DVD-Rohlinge derzeit mit etwa 50 Mark nicht viel billiger sind als bespielte Scheiben. Auf zehn bis 20 Prozent schätzt der Jurist den Anteil der Raubkopien an den Spielfilmen, die hierzulande in Privatbesitz sind. Scharringhausens Arbeitgeber, die von der Filmindustrie gegründete Gesellschaft für die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), hat im ersten Halbjahr 2001 bereits über tausend Strafverfahren gegen Raubkopierer angestrengt - mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Technische Aufrüstung Die Industrie ist bemüht, den Raubkopierern mit technischen Finessen das Kopieren schwer zu machen. Jeder DVD-Film ist mit einem Kopierschutz ausgerüstet. Doch die Syteme haben Grenzen: Vor zwei Jahren gelang es dem damals 16-jährigen norwegischen Schüler Jon Johansen erstmals, mit einem selbst gebastelten Programm einen bis dahin sicheren und weit verbreiteten DVD-Schutz zu überlisten. Scharringhausen spricht von einem "Hase- und Igel-Spiel". Bringen die Urheber ein neues Kopierschutzsystem auf den Markt, sei es nur eine "Zeitfrage", wann die Hacker den Schutz knacken: "Die Programme zur Umgehung des Kopierschutzes werden immer besser, und es gibt immer mehr Leute, die das beherrschen." Rechtliche Grauzone Illegal ist das Kopieren nicht unbedingt. Vielmehr können die Computerfreaks derzeit noch eine rechtliche Grauzone ausnutzen. Denn das Urheberrecht erlaubt es Privatpersonen, von Datenträgern Sicherheitskopien für den Eigengebrauch anzulegen. Also ist es auch erlaubt, DVD-Filme auf CDs zu brennen. Nur die Weitergabe ist verboten. Die Filmindustrie erfüllt das mit Ingrimm: Denn in der Praxis lässt es sich kaum überprüfen, ob die Kopien nicht doch an Freunde, Verwandte oder Mitschüler weitergereicht werden. Schlupflöcher schliessen Das deutsche Bundesjustizministerium arbeitet derzeit daran, das juristische Schlupfloch zu schließen. "Die Schutzmechanismen müssen geschützt werden", umschreibt Ministeriumssprecherin Maritta Strasser das Ziel. Im Klartext bedeutet das, dass Programme zum Knacken von Kopierschutzsystemen bis spätestens Ende 2002 verboten sein sollen. Die Materie sei aber "hochkompliziert", sagt Strasser. Denn an dem Recht auf eine Privatkopie soll das neue Gesetz nicht rütteln: "Wer sich etwa eine Musik-CD kauft, soll sie weiterhin auf Kassette überspielen und im Auto hören können." Wie es möglich sein kann, diese Vorgaben technisch unter einen Hut zu bringen, wissen die Experten im Ministerium selbst noch nicht. (APA/AFP)