Literatur
Unerwünschte Spurensuche
Freudsche Verbrechen: Eva Rossmanns düstere Zeitgeschichte, verpackt in einen Krimi
Das geht zu weit: Ausgerechnet im Freud-Museum in der Berggasse 19 wird eine
junge Frau ermordet.
Mira Valensky, begeisterte Hobby-Köchin und Society-Tratschtante für ein
Schickimicki-Magazin, gerät wieder einmal ganz unschuldig in den Mittelpunkt des
Geschehens. Denn sie wird ausgerechnet vor einem geplanten Italien-Urlaub von
einer der Frauen im Museum zu Hilfe gerufen. Diese Ulrike war eine Klassenkollegin,
mit der Mira die Schulbank geteilt hat. So jemanden lässt man nicht einfach im Regen
stehen, wenn er am Rande der totalen Hysterie balanciert. Also lässt Mira ihre
Kochtöpfe und die Katze im Stich und begibt sich an den geschichtsträchtigen Ort.
Das tote Mädchen gibt Rätsel auf. Zunächst einmal dauert es, bis seine Identität
geklärt ist: eine Amerikanerin, die eine Diplomarbeit über das Freud-Museum
schreiben wollte. Aber diese Jane hat in Wien offensichtlich noch etwas anderes
gewollt. Ein Zettel mit einer Wiener Adresse bringt Mira auf eine fast verwischte Spur,
die in die Vergangenheit führt.
Rossmann verbindet geschickt einen Kriminalfall mit der aktuellen Debatte über die
Entschädigungen für den Raub jüdischen Vermögens. Die unsäglichen
Rechtfertigungsfloskeln der sich Bereichernden und die absichtliche Verschlampung
der Akten kommen dabei ebenso zur Sprache wie die Frage, ob mit der längst fälligen
finanziellen "Wiedergutmachung" die Mechanismen des faschistischen Regimes nicht
umso leichter verdrängt werden können.
Mira ist jedoch trotz des gerechten Zorns über die jahrzehntelang vertuschten und
ignorierten "Arisierungen" imstande zu differenzieren. Nicht alle Naziopfer, die
Entschädigungsansprüche haben, müssen per se gute Menschen und sympathisch
sein, und nicht allen amerikanischen Journalisten, die ohne jegliche Kenntnisse ihren
Vorurteilen frönen, muss man freundlich begegnen.
Mira jedenfalls tut das nicht, und sie erweist sich als scharfzüngige Kritikerin von
Heuchelei und Selbstgerechtigkeit, egal wo sie sie antrifft. Freilich, so unbekümmert,
wie die gute Frau sich an Tatorten verhält und sich Beweismittel aneignet, hätte sie bei
der Justiz keine Chance. Täter, die man aufgrund dieser windigen Ermittlungen
aufspürte, könnte man kaum verurteilen. In dieser Hinsicht ist dieser heimatliche Krimi
wohl mehr Märchen als mögliche Realität.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, Album, 25. 8. 2001)