Sie fühlt sich geistig nicht mehr ganz fit, ihre Kräfte lassen nach, die Rückenschmerzen nehmen zu: Leni Riefenstahl feiert 99. Geburtstag. Wenn auch umstritten wegen ihres Verhaltens während der NS-Zeit, zählt Leni Riefenstahl heute von ihren Werken her betrachtet, zu den erfolgreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts: Faszinierte sie in ihren Anfängen als Schauspielerin und Tänzerin, so machte sie sich später als Regisseurin und nach dem Krieg durch ihre eindrucksvollen Fotoreportagen einen Namen. Noch bis vergangenes Jahr war sie mit der Kamera auf Foto-Trip in Afrika unterwegs, unternahm bis vor kurzem sogar noch Tauchausflüge.Biographie Als Berta Helene Amalie Riefenstahl wird die später ständig von Applaus und Ablehnung gleichermaßen begleitete Künstlerin am 22. August 1902 als Tochter eines Kaufmanns und Installateurmeisters geboren. Mit 16 Jahren beginnt sie ihre Tanzsausbildung, interessiert sich aber gleichzeitig auch für die bildende Kunst und nimmt Mal- und Zeichenkurse an der Berliner Kunstakademie. Nach erfolgreichen Tourneen durch Deutschland, die Tschechoslowakei und die Schweiz hat Leni Riefenstahl fünf Jahre später ihren ersten Auftritt als Solotänzerin und wird kurze Zeit später von Max Reinhardt für das Deutsche Theater in Berlin engagiert. Eine Meniskus-Verletzung zwingt sie 1924, ihre Tanzkarriere zu unterbrechen: Während dieser Zeit lernt sie den Regisseur und Filmemacher Arnold Fanck kennen, der so begeistert von ihr ist, dass er sie 1926 als Darstellerin für seinen Film "Der heilige Berg" engagiert, mit dem die Riefenstahl ihre Filmkarriere startet. Weitere Hauptrollen in Abenteuer- und Bergfilmen Fancks folgen. Für die Filmarbeiten nimmt sie große Strapazen auf sich, lernt klettern, Ski fahren und eignet sich gleichzeitig gute Kenntnisse in der Kamera- und Regiearbeit an - das Rüstzeug für ihr späteres eigenes Filmschaffen. Film- und Regiekarriere 1931 gründet Leni Riefenstahl ihre Produktionsfirma "Leni Riefenstahl Studio Film" und gibt ein Jahr später ihr Regie-Debut mit dem Film "Das blaue Licht", in dem sie auch die Hauptrolle übernimmt. Der Film erlangt Welterfolg und wird auf dem Filmfestival in Venedig mit der Silbermedaille ausgezeichnet. Auch Adolf Hitler wird damit erstmals auf sie aufmerksam - ein erstes Treffen mit ihm im Mai desselben Jahres sollte ihr späteres Leben und künstlerisches Schaffen prägen. Sie schließen enge Freundschaft; Hitler bewundert nicht nur ihr Werk, sondern auch ihre Durchsetzungskraft in der Filmwelt. NS-Propaganda 1933, nach der Machtübernahme der Nazis, beauftragt Hitler Leni Riefenstahl, einen Film über den Reichsparteitag in Nürnberg ("Sieg des Glaubens") zu drehen. Obwohl ihr die Gefahren ihrer Freundschaft zu Hitler bewusst sind, und sie von Parteimitgliedern mit Skepsis behandelt wird, dreht sie weitere Propagandafilme für die Nazis, darunter der bekannte (und vielfach ausgezeichnete) Film "Triumph des Willens" über den NS-Parteitag, für das sie 16 Kamerateams mit 100 Mitarbeitern einsetzt. Durch spezielle Kameraeinstellungen und ungewöhnliche Schnitte werden die führenden Nationalsozialisten betont; die Ausdruckskraft von NS-Symbolen wie dem Hakenkreuz und dem Reichsadler durch Licht- und Musikeffekte untermalt. Riefenstahls bedeutendstes filmisches Werk sollten aber die Propagandafilme zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin werden: Durch aufwendigste Kameratechniken und Schnitte enstehen in 18-monatiger Arbeit die beiden Teile "Fest der Völker" (I) und "Fest der Schönheit" (II), die Hitler zu Ehren an dessen Geburtstag 1938 erstmals vorgeführt werden und wiederum große internationale Anerkennung finden. Sie erhält dafür den goldenen Löwen in Venedig und nachträglich vom Internationalen Olympischen Komitee eine Goldmedaille. In den USA wagt sich niemand, den Film zu verbreiten, auf einer dreimonatigen Reise in die Staaten wird die Riefenstahl immer wieder mit den Ereignissen in ihrer Heimat konfrontiert; die Zeitungen schreiben nach einem Interview, sie würde die Grausamkeiten gegen die Juden verleugnen. Zurück in Deutschland beginnen die Dreharbeiten für "Tiefland" - eine Produktion für die Sinti und Roma aus Konzentrationslagern rekrutiert werden. Die Kriegsumstände und Gesundheitsprobleme zwingen Leni Riefenstahl dazu, ihre filmische Arbeit zu unterbrechen. Wegen der Bombenangriffe auf Berlin übersiedelt sie mit ihrem gesamten Filmmaterial nach Kitzbühel, 1944 heiratet sie den Major Peter Jacob, von dem sie schon drei Jahre später wieder geschieden werden soll. Prozesse und Misserfolge Nach Kriegsende wird Riefenstahl mit ihrer NS-Vergangenheit konfrontiert: Sie wird monatelang verhört und vor Gericht angeklagt, die Roma und Sinti bei der "Tiefland"-Produktion als Sklaven eingespannt zu haben. Sie wird freigesprochen, es folgen jedoch mehrere Prozesse, in denen sie der Propagandatätigkeit für das NS-Regime angeklagt wird. Die Arbeit der Künstlerin nach dem Krieg ist bis in die 70er-Jahre hinein von Misserfolg geprägt: "Tiefland" kommt 1954 erfolglos in die Kinos. Sie kann nur wenige ihrer weiteren Film-Projekte fertigstellen und wird in der Öffentlichkeit immer wieder wegen ihrer Arbeit für das NS-Regime kritisiert. Ab Anfang der 70er-Jahre widmet sie sich immer mehr der Fotografie, sie lernt tauchen und arbeitet in tropischen Meeren an Unterwasseraufnahmen, macht ausgedehnte Reisen nach Afrika und verbringt lange Zeit bei dem sudanesischen Ureinwohnerstamm der Nuba. Mit den großen, eindrucksvollen Fotoserien aus dieser Zeit erlangt sie erstmals wieder internationale Anerkennung. Sie veröffentlicht zahlreiche Fotobände und macht Ausstellungen. Mitte der Achtziger Jahre veröffentlicht sie ihre Memoiren, in denen sie eine Komplizenschaft mit den Nazis unter Hinweis auf ihre rein künstlerische Motivation bei der Propaganda-Filmarbeit abstreitet. Trotz schlechtester Kritiken wird das Buch zu einem Verkaufsschlager. Und auch die 1992/93 gedrehte Filmbiographie "Die Macht der Bilder" über ihr eigenes Leben, an der sie mitwirkt, wird wieder ein Erfolg 1997 erhält Leni Riefenstahl in den USA schließlich eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk - wie immer begleitet von Applaus und Ablehnung. Isabella Lechner