Alan Espey arbeitete in einer Baufirma in Kapstadt, baute Straßen für das neue Südafrika und berichtete begeistert von seinen Erlebnissen mit schwarzen Kollegen, die er in seiner Welt nie richtig wahrgenommen hatte. Er war glücklich, seine Erfahrung mit ihnen zu teilen, und begrüßte das Ende der Apartheid. Aufstiegschancen Doch dann wurde es eng in seiner Baufirma in Kapstadt, es gab zu viele Weiße im Management und zu wenig Platz für Schwarze, deren Aufstiegschancen per Gesetz gefördert werden. Also hat der 53-jährige Ingenieur das Angebot seiner Firma angenommen und baut jetzt im benachbarten Botswana das Unternehmen weiter aus; "der erste weiße Wanderarbeiter", scherzten seine Freunde. Der große Blonde mit den lachenden blauen Augen versucht nun, das Beste aus dem Umzug zu machen. Er staunt über das Selbstbewusstsein der Schwarzen im nördlichen Nachbarland und empfindet Erleichterung darüber, dass man als Weißer nicht ständig mit seiner Apartheid-Vergangenheit konfrontiert wird. Emigrationswelle Halb britischer, halb burischer Herkunft zählen sich die Espeys zu den liberalen Weißen in Südafrika. Ihre politische Heimat ist die Demokratische Allianz (DA), die bei den letzten Kommunalwahlen immerhin knapp 25 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnte und in der Kapprovinz die Regierung stellt. Dennoch verlassen jeden Tag ein bis zwei Familien Südafrika in Richtung Australien, Neuseeland oder Kanada, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft sehen. Die Jüngeren zieht es vor allem nach England - sie sind gut ausgebildet und finden Jobs in der Computerbranche. Doch irgendwann packt die meisten das Heimweh. Auch die Tochter der Espeys hat zwei Jahre lang in London als Sekretärin gearbeitet und sich in der düsteren Vorstadt bei winterlichem Dauerregen nach dem afrikanischen Himmel und der Weite des Landes gesehnt. Nun kehrt sie mit ihrem Mann zurück nach Südafrika. Sie wissen, dass es nicht leicht sein wird, einen Job zu finden, aber das gesparte Geld hilft ihnen, über den Anfang hinwegzukommen. "Nicht alle, die das Land verlassen, gehen für immer", sagt auch Tony Leon. Der Vorsitzende der Demokratischen Allianz sieht sich als neue Hoffnung der Weißen in Südafrika. Zuversicht Leon ist zuversichtlich, dass viele zurückkommen werden; nach den langen Jahren der Isolation treibe auch die Neugier die Menschen aus dem Land und der falsche Glaube, dass es nur in Südafrika Probleme gebe. Man möchte ihm gerne glauben, diesem Mann mit dem energischen Kinn und den aufgekrempelten Hemdsärmeln, der so viel Zuversicht in die demokratische Zukunft seines Landes hat. Die Leute sollen sich einmischen, fordert er, "oder haben sie etwa schon vergessen, wie es in Zeiten der Apartheid war? Muss man sie erst daran erinnern, dass kein Bürgerkrieg tobt, dass es demokratische Wahlen und eine freie Presse gibt?" Magischer Moment Der 44-jährige Jurist stammt aus einer stark politisierten jüdischen Familie, seine Mutter war in der Anti-Apartheid-Bewegung engagiert, sein Vater Richter am Obersten Gerichtshof. Das nahende Ende der Apartheid erlebte Leon 1990 als junger Abgeordneter im Kapstädter Parlament. Er war bei der Ausarbeitung der ersten demokratischen Verfassung dabei und beschreibt den Tag, an dem Nelson Mandela Präsident von Südafrika wurde, als einen magischen Moment in seinem Leben. Rechtsparteien verlieren an Popularität Bei den ersten demokratischen Wahlen im Jahre 1994 konnte Leons Partei nur sieben Sitze für sich gewinnen, während die Freiheitsfront (FF) der rechten Buren mit neun Sitzen ins Parlament einzog. Inzwischen haben sich die Machtverhältnisse geändert: die Freiheitsfront hat nur noch drei Sitze im Parlament, während die Demokratische Allianz mit 87 Abgeordneten vertreten ist. Tony Leon ist wild entschlossen, aus dem vornehmen englischsprachigen Klub der weißen Vororte eine populistische Volkspartei zu machen. Immerhin ist es ihm gelungen, seine Demokratische Partei mit den einstigen Gegnern aus der Nationalen Partei zu verschmelzen. Die einst verfeindeten Briten und Buren kämpfen seit letztem Jahr zusammen in einer Partei - eine Mischung, die sich nach Meinung vieler Beobachter nicht vertragen wird. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 21.8.2001)