Ruhm sei Dir, Yvan", steht auf manchen Wegtafeln in den Schluchten um Corte in Zentralkorsika gekritzelt, wo sich Yvan Colonna, der mutmaßliche Mörder des französischen Präfekten Claude Erignac, seit drei Jahren versteckt hält und der stillen Unterstützung der Bevölkerung erfreut. François Santoni, den wohl ebenfalls Männer aus Colonnas Kreis umgebracht haben, wird keine ehrenden Mauerschriften erhalten: Der führende korsische Nationalist hat auf seiner langen Nebelwanderung vom bewaffneten Untergrund in die Tagespolitik einen Fehler gemacht und zu viel über die Mafiapraktiken der korsischen Unabhängigkeitskämpfer geplaudert.

Korsika lebt von zwei Mythen: von der "Insel der Schönheit", deren Wälder im Sommer der Immobilienspekulation wegen zu brennen pflegen, und seinen stolzen Nationalisten mit dem weißen Stirnband. 43 von ihnen sitzen derzeit in Gefängnissen auf dem französischen Festland ein, und alle bezeichnen sich als "politische Häftlinge" - verurteilte Erpresser wie "Vendetta"-Mörder. 89 Anschläge hat die Polizei seit Jahresbeginn auf der Insel gezählt, doch nur sieben haben einen politischen Hintergrund. Der Rest sind persönliche Abrechnungen unter Geschäftspartnern und Familien. Auf dem Festland werden Streitereien mitunter mit den Fäusten geregelt, in Korsika greift man zu Sprengstoff und Gewehr, lautet eine Einsicht der Polizei.

Korsika ist eine kleine Insel und tanzt der Grande Nation Frankreich auf der Nase herum. Santonis Ermordung aber wird politische Folgen haben. Das ohnehin gewagte Reformprojekt der Regierung Jospin ist nun in Misskredit gebracht: Von 2004 an gibt Paris dem korsischen Regionalparlament in begrenztem Rahmen gesetzgeberische Autonomie. Mit der Abgabe an Souveränität will Frankreichs Regierung Korsikas Nationalisten zufrieden stellen. Doch das Problem liegt anderswo: im Biotop der Mafiosi, das sich im Schatten der Republik entwickelt hat.(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 18./19.8.2001)