Berlin - Ein zweites Gen, das bei Säuglingen für die tödlich verlaufende Muskelerkrankung "Spinale Muskelatrophie" (SMA) verantwortlich ist, haben Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin identifiziert. Das Gen ruft eine besondere Variante der Krankheit hervor, die mit schwerer Atemnot einher geht (SMARD-1). Dabei leiden die betroffenen Kinder nicht nur am Versagen der Muskulatur des Rumpfes und der Gliedmaßen, sondern auch an einer lebensbedrohlichen Atemnot, die durch eine zunehmende Lähmung des Zwerchfells bedingt ist. Die Forscher hatten sechs Familien aus vier verschiedenen Staaten in drei Kontinenten untersucht. Bei elf der insgesamt 20 Kinder dieser Familien fanden die Mediziner auf dem so genannten IGHMBP-2 Gen (Immunoglobulin-mu-binding protein-2-gen) verschiedene Mutationen, die alle zum gleichen Krankheitsbild und letztlich auch zum Tode führten. Das Gen wurde auf dem Chromosom 11 lokalisiert. Schon vor mehreren Jahren war der Forschergruppe die Entdeckung eines SMA-Gens (SMN-1, survival Motor Neuron 1 Gen) auf dem Chromosom 5 gelungen. Im intakten Zustand sind SMN-1 und IGHMBP-2 in jeder Zelle des Körpers an einer Vielzahl lebensnotwendiger Prozesse beteiligt. Die Spinale Muskelatrophie ist sehr selten, steht aber nach der Mukoviszidose mit der Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie an zweiter Stelle der autosomal rezessiven Erbkrankheiten. Sie tritt damit nur dann auf, wenn beide Elternteile dasselbe Gen defekt an ihre Nachkommen weitergeben. Durch den Untergang von Nervenzellen in einem Teil des Rückenmarks - den so genannten Vorderhornzellen - kommen immer weniger Nervenreize in der Muskulatur der kleinen Patienten an. Die Kinder sterben nach wenigen Wochen, ihr Tod wird mitunter als "plötzlicher Kindstod" fehldiagnostiziert. (pte)