Wien - Wäre Hans Moser - wie er immer wieder beteuerte - tatsächlich in einem früheren Leben eine Reblaus gewesen, er hätte sich während dieses hexapodischen Daseins sicher nicht am Wein erfreut; ja nicht einmal an unvergorenem Traubensaft. Rebläuse haben nämlich mit den Früchten des Weinstocks nichts zu schaffen, sie saugrüsseln vielmehr an Blättern oder - und dann sind sie besonders gefährlich - an den Wurzeln der Pflanzen. Doch nicht einmal diese Auswahl bleibt den nicht einmal zwei Millimeter großen Tierchen selbst überlassen, es kommt darauf an ob sie als Blattgallenläuse oder Wurzelläuse aus dem Ei schlüpfen. Die Vermehrung von Viteus vitivolii ist nämlich eine komplizierte Sache, aus dem Winterei schlüpft zunächst eine so genannte Stammmutter, Fundatrix genannt. Der Name täuscht etwas, tatsächlich sieht die stolze Stammmutter eher aus wie eine verschrumpelte Mini-Erbse mit sechs Haxerln. Nachwuchsschmarotzer kommen zur Welt Ohne sich mit Freiern oder Paarungsritualen herumzuärgern erzeugt die Fundatrix einfach Nachkommen mittels so genannter Parthenogenese - Jungfernzeugung. Die rund 1,5 Millimeter großen Gallenläuse leben oberirdisch und bringen ihrerseits ebenfalls durch Parthenogenese Nachwuchsschmarotzer zur Welt - in unserem Klima bis zu vier Generationen. Die späteren Generationen drängen zunehmend auch zu den Wurzeln, diese Tiere sind mit 1,35 Millimeter etwas kleiner, für menschliches Empfinden nicht weniger hässlich wie die Gallenläuse und werden Wurzelläuse genannt. Die Wurzelläuse sind es auch, die im Herbst eine ausnehmend hübsche, geflügelte Generation zur Welt bringen. Diese wiederum erzeugen dann Männchen und Weibchen, die befruchteten Wintereier überwintern beispielsweise in einer Rindenritze. Dass je nach Witterung bisweilen nicht alle möglichen Zyklen durchlaufen werden, stört die Reblaus-Populationen offenbar nicht nachhaltig. Der volle Umfang der Generationswechsel ist meist nur in der Heimat der Reblaus, in Amerika, zu beobachten. Woher kommt die Reblaus? Eingeschleppt wurde die Reblaus Mitte des 19. Jahrhunderts nach Frankreich und England und breitete sich innerhalb weniger Jahrzehnte auf den ganzen Kontinent aus. Tödlich für die europäischen Weinstöcke sind dabei nicht die Gallenläuse, sondern die Wurzelläuse. Die saugenden Insekten verursachen knotige Wunden an den Wurzeln, letztendlich gehen die Pflanzen mangels Nährstoffen ein. Chemische Bekämpfungsmaßnahmen sind nicht wirklich erfolgreich. Die Rettung der europäischen Weinseligkeit kam ebenso wie der Schädling selbst aus Amerika. In Übersee sind die Wildreben nämlich gegen die Reblaus resistent, Laus und Rebe haben sich im Laufe der Evolution aufeinander eingestellt. So kamen die Winzer auf die Idee, auf amerikanische, resistente Wurzelstöcke die europäischen Edel-Reben zu verpflanzen, zu "pfropfen" wie der Experte sagt. Diese Methode wird bis heute mit Erfolg angewendet. Die Reblaus wurde damit zwar nicht ausgerottet kann aber in wohlgepflegten Weingärten kaum größere Schäden anrichten. (APA)