Geprägt von der Philosophie De Sades, Friedrich Nietzsches und George Batailles dachte, bewegte sich der französische Philosoph, Autor und Zeichner Pierre Klossowski schreibend und zeichnend auf den Spuren des Eros. Nahezu ein Jahrhundert lang. Ein halbes Jahr nach seinem Bruder, dem Maler Balthus, und nur wenige Tage nach seinem 96. Geburtstag starb Pierre Klossowski in Paris.

Paris - Michel Foucault erklärte seinen 1970 in Frankreich publizierten Essay La Monnaie Vivante kurz zum "größten Werk unserer Epoche". Dass der faszinierende Text dennoch erst vor zwei Jahren auf Deutsch erschien, scheint symptomatisch für einen Autor, der Öffentlichkeit nicht suchte. In der Stille seiner Pariser Wohnung spann Pierre Klossowski Jahrzehnte hindurch seine Gedankenfäden, die mit obsessiver Ausdauer um das magische Dreieck aus Begehren, Wert und Simulakrum kreisten - ein Dreieck, in dessen Zentrum Geld, la monnaie vivante, sich als lebensbestimmendes Phantasma des 20. Jahrhunderts Seite an Seite stellte neben die gleichfalls von Trugbildern gesteuerte Sexualität.

Unorthodoxes Denken

In Frankreich vor allem hatte das unorthodoxe Denken Klossowskis eine große Anhängerschar gesammelt: 1905 in Paris als Sohn ebenso gebildeter wie polyglotter Eltern deutsch-polnischer Herkunft geboren, besuchte Klossowski in Bern das Gymnasium und begann bereits in den zwanziger Jahren mit Hölderlin-Übersetzungen an die literarische Öffentlichkeit zu treten. Später folgten Übersetzungen von Nietzsche, Max Scheler, Ludwig Wittgenstein. Noch als Jugendlicher schrieb er erste Studien über jenen Franzosen, dessen erotische Obsessionen ihn lebenslang prägten und dessen Formel "Ohne Verbrechen keine Wollust" er zu seinem Leitsatz erkor: De Sade.

Er befreundete sich mit Georges Bataille, André Gide - als dessen Sekretär er später arbeitete - und Michel Leiris. In seinen Romanen - Die Gesetze der Gastfreundschaft (1965) oder Der Baphomet (1965) entwickelte er das Figurenpaar der selbstbewussten starken Frau - Roberte - , die, von ihrem Gatten, dem Theologieprofessor Octave - als Lustobjekt ausgestellt, diesem nach allen Gesetzen der Gastfreundschaft willfährt, durch den selbstbewussten Stolz ihres Handelns dennoch jede Form der Unterwerfung vermeidet.


Erotische Visionen

In den siebziger Jahren näherte sich Pierre Klossowski seinen erotischen Visionen zunehmend mit dem Zeichenstift in der Hand. Die unerfüllte Hoffnung auf die Wollust des Bösen als explizit unbefriedigte und nicht zu befriedigende Obsession findet sich in erotischen Figurenpaaren, zart mit Blei- oder Farbstift in Lebensgröße auf Papierbögen gekritzelt. Ähnlich seinem jüngeren Bruder, dem im Februar verstorbenen Maler Balthus, näherte sich Klossowski den schlanken Körpern seiner jugendlichen Objekte des Begehrens mit einer dezenten Noblesse des Stils. Sein feiner Strich schien über die Körper der Gezeichneten liebewohl hinweg zu streichen.

Liebenswert altmodisch, mit Anklängen an griechische Mythen, muten die zarten Zeichnungen des Philosophen an, der in seinem Leben kein Flugzeug bestieg, kaum jemals reiste und sich zuletzt neben den raffinierten Vergnügen des Eros auch für die einfachere psychologische Finesse der deutschen Derrick-Krimis begeistern konnte. Wenige Tage nach seinem 96. Geburtstag starb der Autor, Philosoph und Zeichner Pierre Klossowski in Paris.

(DER STANDARD, Print 13.8.2001)