Während seiner ersten Amtsperiode hatte der 1996 gewählte Premier und Chef der Volkspartei (PP) José María Aznar die Reputation seiner Regierung intakt erhalten. Nach seiner Wiederwahl mit absoluter Mehrheit holen "Saubermann" Aznar nun allerdings gleich zwei Affären ein, in die enge Mitarbeiter verwickelt sind.

Außenminister Josep Piqué wird seit Monaten von einem aufsässigen Staatsanwalt verfolgt. Er soll als Manager des Mineralölkonzerns Ercros 1991 am Verkauf einer Firma an die französische Elf beteiligt gewesen sein, in deren Verlauf verdeckte Zahlungen in einem Steuerparadies landeten. Die komplizierten Transaktionen, die "steuerschonend" über Scheinfirmen abgewickelt wurden, bescherten Ercros ein Finanzloch von 1,4 Milliarden Schilling (rund 102 Mio. EURO).

Obwohl Piqué seine Unschuld beteuert und sich bereit erklärt hat, vor Gericht zur Klärung der Affäre beizutragen, wurde eine gerichtliche Vorerhebung gegen ihn von dem von der Regierung eingesetzten Oberstaatsanwalt Jesús Cardenal bisher erfolgreich verhindert.

Um einen ähnlichen Geldbetrag, über 100 Millionen Euro, fühlen sich die Kunden des Investment-Büros Gescartera betrogen, dessen Spuren direkt ins Finanzministerium führen. Als Zeitungen bereits berichteten, der oberste Steuerinspektor des Landes, Staatssekretär Enrique Gimenez-Reyna, habe vor der Börsenaufsicht für Gescartera interveniert, sprach Finanzminister Montoro dem Betroffenen noch das Vertrauen aus.

Lange hat die regierende Volkspartei im Fall Gescartera eine Taktik angewandt, die sie in der Ära sozialistischer Finanzskandale angeprangert hatte: Bagatellisierung von Tatbeständen und die Deckung verdächtiger Personen. Jetzt sind Beweise aufgetaucht, wonach der - inzwischen unter der Beweislast zurückgetretene - Staatssekretär sich bei der Blindenvereinigung und dem Waisenfonds der Guardia Civil für das von seiner Schwester geleitete Unternehmen stark gemacht habe. Steuerfahnder vermuten, Gescartera sei auch an der Wäsche von Schwarzgeldern beteiligt gewesen.

Regierungschef Aznar, der sein Image als "Saubermann" gefährdet sieht, soll während seines Urlaubs auf Menorca Pläne für eine Regierungsumbildung schmieden. (DerStandard,Print-Ausgabe,13.8.2001)