Jetzt haben wir also die Sündenböcke. Die Polizeipräsident von Genua, der Chef der Antiterroreinheit und der Vizechef der Polizei sollen alle Verantwortung auf sich nehmen, um die innenpolitische als auch die internationale Spannung zu entladen. Hier wird lediglich Gesichtswäsche betrieben, die drei Offiziere bekommen lediglich neue Aufgaben zugewiesen. Keine Entlassungen, keine Disziplinarverfahren, nichts. So sehen also Recht und Ordnung aus, wie sie die italienische Mitte-rechts-Regierung propagiert und versteht. Keine Aufklärung der Sachverhalte, keine Konsequenzen für die Gewalttaten und Misshandlungen durch die Exekutive, sondern die Polizei wird belobigt. An der Suche nach der Wahrheit hat die Regierung kein Interesse, denn es würde ihre Verantwortung zum Vorschein kommen. Silvio Berlusconi wollte der Welt beim G-8-Gipfel vor Augen führen, dass er die Dinge im Griff hat. Übrig geblieben vom schönen Schein der Mächtigen im Genueser Dogenpalast ist die hässliche Fratze der Gewalt und autoritärer Herrschaft. Die Straßenschlachten haben in der italienischen Gesellschaft tiefere Spuren hinterlassen, als sie heute bereits erkennbar sind. Der Regierung ist es vorerst gelungen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Mit rücksichtslosem Einsatz ihrer parlamentarischen Mehrheit hat sie nun Berlusconi aus einer weiteren Schlinge befreit, indem sie per Gesetz de facto das Vergehen der Bilanzfälschung abschaffte. Der Ministerpräsident ist mit einem Schlag drei Gerichtsverfahren los. Ein für einen Rechtsstaat unglaublicher Vorgang. Es kann deshalb nicht überraschen, dass die politische Debatte eine Frontstellung erfährt, die es seit 20 Jahren nicht mehr gegeben hat. Die Phase des Nachkriegsitalien wurde mit der Machtübernahme Berlusconis abgeschlossen. Mitte-rechts präsentiert einen autoritären Staat, der die Macht absichern soll. Das neue Gesicht Italiens? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5. August 2001)